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Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad

Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad

Titel: Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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unschuldig an ihrer Misere war. Es war unklug gewesen, ihre Pläne so offen auf der Zunge zu tragen. Sie wusste, dass Bram sie mochte und sich für ihr Schicksal verantwortlich fühlte. Wie anders hätte er reagieren können, nachdem sie all seine Bitten und Ratschläge in den Wind geschlagen hatte? Nein, sie hatte ihn zu diesem Schritt getrieben, und sie glaubte ihm, wenn er ihr versicherte, dass auch er damit nicht glücklich war, aber keine andere Möglichkeit sah, sie vor sich selbst zu schützen.
    Die Einsicht kam zu spät. Jetzt war sie hier im Internat, unter strenger Aufsicht, die zu umgehen für sie nicht einfach sein würde. Malcolm würde über die Mauern, Tore und Wächter nur lachen. Für einen Vampir waren das keine Hindernisse, wenn er sich einmal in den Kopf gesetzt hätte, unbemerkt herein- oder hinauszugelangen. Nur leider wusste Malcolm nicht, wo sie sich befand, und konnte deshalb nicht einmal auf die Idee kommen, sie hinter diesen alten Klostermauern zu suchen. So raffiniert war Bram inzwischen, dass er ihr erst davon erzählt hatte, als es keine Möglichkeit mehr gab, in die Kensington Gardens zu gelangen und eine Nachricht am Albert Memorial für Malcolm zu hinterlassen.
    Falls er überhaupt noch zu ihrem vereinbarten Treffpunkt kam und nach einem Lebenszeichen von ihr Ausschau hielt. Ein paar Mal war es ihr gelungen, am Denkmal zu Ehren des verstorbenen Prinzgemahls nach einer Nachricht von Malcolm zu suchen, leider vergeblich. Schon damals waren unzählige Nächte vergangen, seit sie sich in Paris voneinander hatten trennen müssen. War seine Nachricht verloren gegangen oder hatte sie einfach nicht die richtige Stelle entdeckt? Oder hatte Malcolm sie bereits aufgegeben?
    Der Gedanke schmerzte. War es wirklich vorbei? Wurde es Zeit, sich an den Gedanken zu gewöhnen, ein Leben ohne Malcolm führen zu müssen? Das lag außerhalb ihrer Vorstellungskraft. Womöglich gelang es Bram doch noch, einen akzeptablen Ehemann für sie zu finden. Und dann? Sie zog eine Grimasse. Sein demütiges Frauchen sein, den Haushalt führen und Kinder für ihn aufziehen? Das Los jeder normalen Frau eben.
    Nein! Bevor sie sich in dieses Schicksal ergab, würde sie es noch ein letztes Mal versuchen. Und wenn sie nächtelang selbst am Albert Memorial wachen musste, um Malcolm zu treffen! Schließlich würde sich zeigen, ob er sie noch immer liebte und begehrte.
    Latona starrte zwar noch immer über das nächtliche Land, aber sie sah es nicht mehr. In ihrem Kopf begannen Gedanken zu kreisen und Pläne Gestalt anzunehmen.
    *
    Ivy lag in einer schmalen Kiste, die so eng war, dass sie sich nicht rühren konnte. Dagegen war in jedem Sarg komfortabel Platz– zumindest für ihren schmächtigen Körper. Bram hatte sich entschuldigt. Auf die Schnelle habe er im Hafen nichts anderes auftreiben können. Und ein richtiger Sarg hätte vielleicht zu unliebsamen Fragen geführt. Ivy beschwichtigte seine Bedenken. Sie konnte sich in die Kiste quetschen und im Schutz der Dunkelheit den Tag in ihrer Todesstarre überdauern. Das war das Wichtigste. Gefühle der Beklemmung kannte ein Vampir nicht.
    Nun war es bald so weit. Gleich würde sich die Sonne über den Horizont erheben und die Welt mit ihren hellen, wärmenden und für Vampire so zerstörerischen Strahlen überfluten. Ivy hätte sich nun dem Drang überlassen können, der alle Vampire um diese Zeit überfiel: Ihren Geist in die Schwärze hinabsinken und ihren Körper erstarren lassen. Die wenigsten hatten eine Wahl. Es geschah einfach mit ihnen. Das starke, magische Blut der Druiden allerdings machte es Ivy möglich, dagegen anzukämpfen und die Natur der Vampire zu überwinden. Es war für sie manches Mal wie ein Spiel, einfach dazuliegen und den Drang mit dem Einsatz möglichst weniger Kräfte niederzuhalten. Ivy schickte ihre Gedanken auf die Reise. Es ging nach Osten. Wie immer. Zu der Festung hoch in den Karpaten, deren schroffe Bergkette das zu Ungarn gehörende Siebenbürgen von der Walachei trennte.
    Ihr Geist hatte Poienari kaum erreicht, als eine Welle von Hass in ihr aufbrandete. Ivy wusste, dass es nicht ihr eigener war, und dennoch gab es in ihrem Geist und ihrem Gefühl keinen Unterschied dafür. Sie ballte die Fäuste und knirschte mit den Zähnen. Wehe dem, der ihr in diesem Augenblick in die Quere kommen würde, doch es war niemand da, der sich ihrem Zorn stellen wollte.
    Ivy? Bist du noch wach? Ich fühle etwas Seltsames. Kannst du das auch spüren?
    Seymours

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