Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad
Fälle, die wir übernehmen, ein wenig eigen. Dennoch kann ich mit Stolz verkünden, dass unsere Barrister brillant, ja geradezu berüchtigt sind und kaum je ein Verfahren vor Gericht verlieren.«
Diese Nachrichten mussten sich erst einmal setzen. Ein aufgeregtes Getuschel erhob sich. Die Erben konnten das Gehörte noch immer nicht fassen. Nur Marie Luise und Maurizio starrten weiterhin gelangweilt vor sich hin. Vermutlich hatten sie gar nicht zugehört.
» Mylord, die Anwälte, die hier wohnen und arbeiten, sind das Menschen oder gehören sie zu den Vyrad?«, meldete sich Alisa zu Wort. » Und was ist mit den Studenten?«
Lord Milton nickte ihr zu. » Die Barrister des Temple gehören zu den Vyrad. Viele kamen als Studenten nach ihrer Zeit in Oxford oder Cambridge hierher– von uns handverlesen– und unterzogen sich unserem Aufnahmeritual, um ein Vyrad zu werden. Wir konnten aber durchaus auch berühmte Staranwälte für uns gewinnen, worauf wir sehr stolz sind.«
» Sie wurden also ausgesaugt und zu Vampiren gewandelt«, fasste Tammo die Umschreibung des Lords pragmatisch zusammen.
» Äh, ja, das ist richtig. Viele unserer Juristen sind also das, was ihr eure Servienten nennt, nur dass wir im Gegensatz zu manch anderem Clan ihr Wissen, ihre Erfahrung und ihre wachsende Stärke anerkennen und schätzen. Selbst unter unseren Mastern, die wir auch Benchers nennen– nach ihrem Sitz hier in der Halle an der eichenen Ehrentafel–, finden sich Vyrad reinen und unreinen Blutes. Meine Aufgabe ist die eines Governors, zusammen mit Lady Margaret und Lord Owen hier an meiner Seite. Da es Lady Margaret vonseiten Königin Victorias unmöglich ist, selbst als Anwältin vor Gericht aufzutreten, leistet sie ihre brillante Arbeit im Hintergrund und ist für unsere Studenten verantwortlich, bis sie in einer feierlichen Zeremonie hier in der Temple Hall ihren Call to the Bar erhalten.«
» Dann arbeiten die Vyrad als Anwälte und vertreten Angeklagte vor Gericht? Also Menschen, ganz normale Verbrecher?«, hakte Alisa nach, die sich noch immer schwer tat, das Gehörte zu verdauen.
Lord Milton nickte. » Aber ja. Wobei ich dich in einem Punkt korrigieren muss. Wir gehen vor Gericht von der Unschuld unserer Klienten aus, und das sollten der Richter und die Geschworenen bis zum Beweis der Schuld ebenfalls tun.«
» Und Ihr, Mylord? Seid Ihr ebenfalls von der Unschuld derer, die Ihr vertretet, überzeugt, oder spielt das keine Rolle?« Alisa ließ nicht locker.
Lord Milton zeigte seine Zähne, was mehr eine Grimasse denn ein Lächeln war. » Wir übernehmen Fälle, die uns interessieren und die eine Herausforderung bedeuten, was erst einmal unabhängig davon ist, ob wir einen schuldigen Verbrecher oder einen unschuldig Angeklagten vor uns haben. Allerdings sind wir durchaus daran interessiert zu wissen, was wirklich vorgefallen ist. Wie die Geschworenen dann entscheiden, steht auf einem anderen Blatt.«
» Das heißt, es kann vorkommen, dass Unschuldige für ein Verbrechen bestraft werden oder schuldige Verbrecher freigesprochen«, brummte Alisa.
Lord Milton nickte. » Ja, diese Fälle durchziehen die gesamte Geschichte der Justiz. Irren ist eben eine menschliche Eigenschaft.«
» Das passt dir jetzt gar nicht«, raunte Luciano ihr zu.
» Nein! Es ist nicht richtig, wenn die Vyrad die Wahrheit kennen, sie vor Gericht nicht zu sagen. Ich meine, wenn sie beispielsweise als Anwalt einen Mörder vor Gericht vertreten. Wenn sie gewinnen, wird er freigesprochen und entgeht seiner gerechten Strafe!«
Luciano hob die Schultern. » Zur Not kann man ihn nach seinem Freispruch ja immer noch aussaugen. Ist vielleicht ein angenehmerer Tod als durch den Strang.« Er lächelte in sich hinein. Diese Vorstellung gefiel ihm sichtlich. » Vielleicht könnte das als Ausnahme von dem Vertrag gelten, den die Clans untereinander geschlossen haben? Wir Vampire würden ja nur das Versagen der Justiz korrigieren. Es wird Zeit, dass wir unser Ritual feiern und endlich Menschenblut trinken dürfen!«, fügte er hinzu.
Alisa sah ihn strafend an und legte den Finger auf die Lippen, denn Lord Milton sprach weiter.
» Doch nun möchte ich noch einige Worte zu eurem Akademiejahr hier am Temple Inn Court sagen. Ihr wart es in den vergangenen Jahren gewöhnt, Nacht für Nacht an Unterrichtsstunden bei verschiedenen Professoren teilzunehmen, die euch neue, magische Fähigkeiten, aber auch die Geschichte des Landes und ihre Sprache beibrachten. So etwas
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