Die Erben der Schöpfung
Dr. Simons wird den Anfang machen und Ihnen das Problem erklären, an dem wir seinerzeit gearbeitet haben.«
Nakamura drehte den Bildschirm seines Laptops der Wissenschaftlerin zu seiner Linken zu. Sie nahm die Maus und projizierte ein schematisches Modell der Gehirnentwicklung an die Wand.
»Danke, Dr. Nakamura«, begann sie. »Es ist schön, ein paar neue Gesichter zu sehen. Nach so vielen Jahren in der Molekularbiologie habe ich leider ein bisschen den Kontakt zu den Kollegen in den anderen Abteilungen verloren.«
Irgendwie fühlt sie sich unbehaglich, dachte Jamie. Was hat sie denn zu verbergen?
Dr. Simons fuhr fort. »Schon kurz nach Gründung der Firma haben wir uns zum Ziel gesetzt, genau zu ermitteln, welche Proteine an der frühen Entwicklung der Gehirnrinde beteiligt sind. Ausgangspunkt dafür war der Gedanke, dass wir diese Abfolge von Vorgängen in den Stammzellen replizieren könnten, wenn wir erst einmal wüssten, wie kortikale Nervenzellen von Natur aus wachsen. Im weiteren Verlauf hofften wir allerdings darauf, Bereiche der Gehirnrinde zum Nachwachsen anzuregen, die zum Beispiel bei Schlaganfällen beschädigt worden sind. Ich gebe Ihnen zuerst einmal eine kurze Zusammenfassung davon, was wir über diesen Prozess wissen.«
Simons begann einen Vortrag über die Entwicklung von Nervenzellen, begleitet von Diagrammen und Schaubildern des sich entwickelnden Embryos {} . Dann übernahm Dr. Michaels den Zeigestab und erklärte, wie sie eine der Hauptbahnen der Gehirnentwicklung modifiziert hatten, um das in der Entwicklung befindliche Gehirn größer werden zu lassen. Nakamura übernahm den Schluss, indem er beschrieb, wie sie das Experiment anfangs für einen Fehlschlag gehalten hatten, jedoch jüngste Beobachtungen von Dr. Gupta diese Einschätzung radikal geändert hätten.
Stiles gab einen langen, gedehnten Pfiff von sich. »Sie haben’s geschafft, was? Sie haben tatsächlich einen Affen erschaffen, der genauso intelligent ist wie ein Mensch oder sogar intelligenter.«
Nakamura antwortete völlig gelassen. »Diese Frage würden wir uns gern von Ihnen beantworten lassen. Sie spielen eine ausschlaggebende Rolle dabei, die Fähigkeiten des Affen zu beurteilen, und deshalb habe ich auch in dieses Briefing eingewilligt. Sie müssen wissen, wie der Schimpanse entstanden ist, um ihn korrekt einschätzen zu können.«
»Und was haben Sie mit ihm vor?«, wollte Jamie wissen.
Nakamura schloss die Augen. »Ihn studieren. Dies ist ein großer Fortschritt in der Erforschung des Gehirns. Wir wollen die Konsequenzen unserer Verbesserung restlos erfassen. Wahrscheinlich werden wir bald beginnen, mehr solche Embryos zu erzeugen und den Eingriff auf verschiedene Arten zu variieren.«
In Jamies Hinterkopf nagte ein Gedanke. Sollte sie fragen? Ja, sie musste einfach. »Kenji, könnte diese genetische Veränderung bei einem menschlichen Embryo eine ähnliche Veränderung herbeiführen?«
Nakamura senkte den Blick. »Wir sind mit unserer Arbeit noch lange nicht fertig. Derartige Spekulationen sind extrem voreilig.«
Stiles sah Nakamura argwöhnisch an. »Was haben Sie sonst noch geplant?«
Nakamura antwortete nur mit einem kühlen Blick.
Stiles räusperte sich. »Also, eines steht jedenfalls fest. Wenn wir erst einmal die Ergebnisse veröffentlichen, brauchen Sie sich um großzügige Geldgeber keine Sorgen mehr zu machen.«
Nakamura erhob sich erneut. »Eine Veröffentlichung kommt momentan überhaupt nicht infrage. Noch nicht. Ich will, dass diese Entdeckung komplett ausgereift ist, ehe die Welt davon erfährt, selbst wenn es noch etliche Jahre dauern sollte. Dann, und erst dann, erlaube ich, dass die ganze Geschichte erzählt wird. Ich muss Ihnen mitteilen, dass ich als zusätzliche Vorsichtsmaßnahme beschlossen habe, keine Kommunikation zur Außenwelt mehr zu gestatten. Daher habe ich unsere Telefonleitungen und unser Intranet nach außen gekappt.«
Stiles platzte der Kragen. »Kenji, das ist ja lächerlich! Ich kann mich nicht so ohne Weiteres von meinem Labor abschneiden lassen. Wir sind hoch qualifizierte Wissenschaftler. Das ist doch keine Art, einen Experten zu behandeln.«
»Ich bedauere, aber ich kann unter keinen Umständen eine Sicherheitslücke riskieren. Mein Entschluss steht fest. Jegliche Kommunikation nach außen muss von mir genehmigt werden.«
Jamie sah zu, wie Stiles immer röter anlief, und witterte ihre Chance. Sie hob beschwichtigend eine Hand. »Kenji, uns ist völlig klar, wie
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