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Die Erben der Schöpfung

Die Erben der Schöpfung

Titel: Die Erben der Schöpfung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Anderson
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dich nach einem lockeren Leben am Strand. Du gewinnst im Lotto, ziehst in ein Haus am Strand und merkst, dass du todunglücklich bist, weil dein Leben keinen Sinn mehr hat und du dich nach den Tagen zurücksehnst, als du Brunnen ausgehoben hast.«
    »Und das suchst du bei dem Schimpansen?«
    »Warum nicht? Er ist doch vermutlich genauso gestrickt. Und er hat genug Hirn, um komplexe Gefühle zu verarbeiten. Um zu beweisen, dass er menschlich ist, dass er das hat, was wir eine Seele nennen würden, müssen wir nach dummen, tapferen, unerklärlichen oder widersprüchlichen Handlungen bei ihm suchen, die belegen, dass er von einem weiten Spektrum von Gefühlen getrieben wird, von denen keines stabil ist. Wenn wir einen wahren Turing-Test finden wollen, etwas, das ein Wesen mit einer Seele von einem ohne unterscheidet, müssen von Gefühlen verursachte Fehler unbedingt darin enthalten sein.«
    Sameer sah nachdenklich drein und ließ sich Zeit mit seiner Antwort. »Unglaublich. Ich habe es noch nie so betrachtet, aber irgendwie stimmt es. Der Schimpanse ist manchmal ganz normal, aber meistens durchschaue ich ihn nicht so wie einen Menschen«, schloss Sameer. »Glaubst du, dass allgemeine Intelligenz und emotionale Intelligenz miteinander korrespondieren?«
    Jamie musste an einen Freund aus ihrer Studienzeit denken. Herrgott, nein! Sie formulierte ihre Antwort diplomatischer. »Das Stereotyp besagt eher das Gegenteil. Menschen mit mehr logischem Denkvermögen tun sich oft schwer mit sozialen Interaktionen. Du weißt schon, wenn der Empathie-Schaltkreis als Extra-Gedächtnisspeicher herangezogen wird. Aber das ist wie gesagt nur ein Stereotyp. Schließlich haben wir keinen Grund zu der Annahme, dass er mitfühlender oder großzügiger ist, weil er ein größeres Gehirn hat. Vielleicht macht es ihn sogar skrupelloser, egozentrischer und hinterhältiger. Das können wir nicht wissen.«
    »Manchmal macht er mir Angst, Jamie«, sagte Sameer leise.
    »Er macht dir Angst?«
    »Bei den anderen Schimpansen habe ich keine Bedenken mehr, wenn sie mich erst einmal kennen, aber bei dem hier fühle ich mich nie ganz sicher. Er hat so einen Blick, bei dem ich nie genau weiß, woran ich bin.« Sameer fasste zur Seite und legte die Hand auf einen Stapel Kinderbücher.
    Auf einmal löste sich der Schimpanse von den Bauklötzen, hüpfte flink zu Sameer hinüber und sprang ihm auf den Schoß. Er warf Jamie einen schiefen Blick zu, ehe er Sameer ein Buch zum Vorlesen in die Hand drückte.
    Sameer schob den Affen in eine ihm bequemere Position, worauf dieser sich langsam umdrehte und Sameer in die Augen sah. Sameer begann zu lesen. »In dem großen grünen Zimmer…«
    Jamie kam herüber und ging hinter Sameer in die Hocke, um ihm über die Schulter zu sehen. »Kannst du mir das Telefon zeigen?«, fragte sie den Schimpansen.
    Der Affe zeigte auf das Telefon, das im Buch auf einem Nachttischchen stand. Sameer las weiter.
    Nachdem sie mit Goodnight Moon fertig waren, ging der Schimpanse zu einem Häufchen Spielsachen, das auf dem Boden lag. Er nahm ein Spielzeugtelefon und hielt sich den Hörer ans Ohr.
    »Hallo?«, sagte Jamie und hielt sich die Finger wie einen fiktiven Telefonhörer ans Ohr. Der Schimpanse lauschte kurz und starrte das Telefon an. Mit einer einzigen Bewegung packte er den Hörer und riss die Schnur heraus, die ihn mit dem Telefon verband. Mit einem letzten Blick auf den Hörer schleuderte er ihn gegen den Zaun.
    »Offenbar ist er von dem Telefon nicht besonders angetan«, meinte Sameer.
    Der Schimpanse hüpfte erneut auf Sameers Schoß, grapschte mit seinen überlangen Fingern nach Sameers T-Shirt und befühlte den Stoff. Immer wieder fuhr er mit Daumen und Zeigefinger über Sameers Ärmel, bis er schließlich das Interesse daran verlor.
    »Er fasst gern Dinge an. Ich glaube, es beruhigt ihn«, meinte Sameer.
    Jamie wollte gerade etwas fragen, als der Schimpanse urplötzlich von Sameers Schoß heruntersprang und zu dem kleinen Schwingtor huschte, durch das er hinauskonnte.
    Mit Händen und Füßen hangelte er sich hindurch, ehe er genau gegenüber von Jamie und Sameer auf der anderen Seite des Zauns stehen blieb.
    Jamie erkannte als Erste, was ihn gelockt hatte. »Sameer, er schaut sich den kleinen Vogel an.« Der Vogel hatte einen gebrochenen Flügel und rang vergeblich darum, sein Körpergewicht in die Lüfte zu schwingen.
    Der Schimpanse musterte den Vogel einen Moment lang und beobachtete dessen hilflose Bewegungen. Dann

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