Die Erben der Schöpfung
skrupellose…«
Jordan fiel ihr barsch ins Wort. »Passen Sie mal auf, mir ist schnurzegal, was Sie denken.« Die Frau nickte dem Kameramann zu und zeigte auf Jordan, der weiterpolterte. »Das Einzige, was mich interessiert, ist, dass Sie widerrechtlich in ein privates Labor eingedrungen sind, ein Labor, dessen Hauptaufgabe es ist, Schimpansen zu züchten und zu schützen. Wenn Sie nicht sofort verschwinden, sehe ich mich gezwungen, die Polizei zu rufen und Sie festnehmen zu lassen.«
»Ach, na klar. Warum tun Sie’s nicht? Wir machen nichts Illegales. Wir sind nur gekommen, um das Da-Silva-Naturschutzgebiet zu besuchen«, sagte sie abfällig. »Ein treuhänderischer Besitz des brasilianischen Volkes, das wir repräsentieren. Offen gestanden glaube ich, dass wir noch eine ganze Weile hierbleiben.« Und schon setzte sie sich im Schneidersitz hin und lächelte Jordan an. Die anderen Mitglieder der Gruppe taten es ihr nach, außer dem Kameramann, der eine Großaufnahme von Jordans genervter Miene einfing.
Während Jordan seinen Disput mit der Frau fortsetzte, schlich Carlos Escalante verstohlen hinter Jordan und Diego vorbei ins Laborgebäude. Sowie er drinnen war, gab er der Frau mit dem Megafon ein Zeichen und schloss geräuschlos die Tür hinter sich.
Er schaute durch die Glastür und bemerkte, dass etliche der Demonstranten, die sein Eindringen verfolgt hatten, sich wieder auf die Konfrontation zwischen Jordan und ihrer Sprecherin konzentrierten, um nicht auf Carlos aufmerksam zu machen. Inzwischen hatten sich sämtliche Demonstranten auf die Erde gesetzt. Carlos wandte sich um und ging weiter in das Gebäude hinein.
Zielstrebig streifte er durch die Flure. Die Demonstration zu organisieren, war ein Kinderspiel gewesen. An der Universität von Amazonas gab es jede Menge ausländische Studenten, und die meisten von ihnen hatten es sich zur Aufgabe gemacht, den Regenwald zu studieren. Binnen zweier Tage hatte er ein Dutzend Personen – darunter Brasilianer, Amerikaner und zwei Europäer – aufgetrieben, die gern bereit waren, ihm bei seiner »Demonstration« zu helfen. Er hatte Logistik und Utensilien besorgt und für die Anreise ein Boot gechartert.
Wesentlich schwerer war es gewesen, Insider-Informationen zu besorgen. Als Erstes hatte er Studenten der Molekularbiologie gefragt, ob einer von ihnen mit der räumlichen Aufteilung des Komplexes vertraut war. Die meisten sahen ihn nur verständnislos an. Andere hatten zwar schon von der Firma gehört und Stellenanzeigen von ihr gesehen, kannten aber niemanden, der dort gearbeitet hatte. Durch hemmungsloses Ausfragen fand er ein paar Laborassistenten, darunter den einen, der als Erster gemutmaßt hatte, dass Nakamura und Mercer miteinander auf Kriegsfuß stünden.
Am zweiten Tag seiner Erkundungen bekam er die Telefonnummer von jemandem, der einen Sommer lang dort gearbeitet und dann aufgehört hatte. Carlos hatte Glück. Er erkundigte sich am Telefon bei dem ehemaligen Mitarbeiter nach den Einstellungsbedingungen und danach, ob er wisse, bei wem er sich nach einem Job erkundigen könne. Nach einem längeren Gespräch darüber, was für eine Art von Arbeit dort verrichtet wurde, welche Leute das Sagen hatten und wo ihre Büros lagen, fragte Carlos nach Nakamura. Der Laborant hatte wenig mit Nakamura zu tun gehabt und wusste lediglich zu sagen, dass Nakamura morgens als Erster kam, kaum mit jemandem über Belanglosigkeiten plauderte und Gerüchten zufolge abends zu seiner Familie heimkehrte, die in einer Wohnung auf dem Gelände lebte. Carlos bedankte sich und legte zufrieden auf.
Die Informationen zahlten sich nun aus. Rasch fand er den Weg durch die weitgehend leeren Flure zur Genetikabteilung. Er nickte den wenigen Personen zu, denen er begegnete, worauf sie das Nicken mit etwas verwirrten Mienen erwiderten.
Nachdem er für sein Gefühl mehrfach im Kreis gegangen war, stieß er auf einen Korridor, der ihm bekannt vorkam. Der mit Teppich ausgelegte Flur hatte drei Türen auf der linken Seite, vor deren letzter er stehen blieb. Auf dem Türschild stand »Kenji Nakamura, Laborleiter«. Carlos sah sich um, um sicherzugehen, dass er allein war.
Er klopfte dreimal leise an die Tür und trat einen Schritt zurück. Als keine Reaktion erfolgte, drehte er am Türknauf. Abgeschlossen.
Er zog einen Dietrich aus der Tasche, machte schnell die Tür auf und spähte hinein. Nach einem weiteren raschen Blick den Flur hinab trat er ein und schloss leise die Tür hinter
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