Die Erben der Schöpfung
Risiko.«
»Es erlaubt das höchste Risiko. Sie und ich stehen doch über den kleinlichen ethischen Bedenken, über die sich die Menschheit den Kopf zerbricht. Bei unserem Projekt ist alles erlaubt, da wir allein das Können und die Vision haben, die Menschheit zu verändern. Wir können innerhalb einer Generation mehr für die Zukunft des intelligenten Lebens bewirken als Millionen Jahre blinder Evolution.«
»Ich rufe Sie wieder an, wenn ich Neuigkeiten habe.«
»Danke, Kate.«
Es klickte in der Leitung. Kate schloss die Augen und ließ die Anspannung von sich abfallen, indem sie lang und tief ausatmete. Irgendwo in ihr regte sich eine instinktive Unruhe, als ihr die Konsequenzen dieses Telefongesprächs klar wurden, doch sie verdrängte sie. Alles ist erlaubt …
Sie biss erneut in ihren Apfel und musste lachen. Hatte so nicht ohnehin alles begonnen? Mit einem Apfel?
13
Jamie zog ihre Baseballkappe zurecht und stützte sich auf die Ellbogen. Sie blinzelte ins helle Sonnenlicht und sah zu, wie sich der Schimpanse auf dem Spielplatz mit der Reifenschaukel vergnügte. Sameer hatte ihm eigentlich vorlesen und Jamie hatte zusehen wollen.
Sie fragte sich, wann es endlich losging, und sah zu Sameer hinüber. Er zuckte die Achseln. »Er spielt immer gern eine Weile. Wenn er dann bereit ist, kommt er herüber. Es muss alles von ihm ausgehen.«
Jamie schmunzelte. »Du hast den kleinen Kerl bestimmt schon ins Herz geschlossen.«
Sameer blickte über Jamies Kopf in die Ferne. »Ja und nein. Manchmal, wenn er auf meinem Schoß sitzt, fühle ich mich wie sein Daddy. Aber er kann auch sehr merkwürdig sein. Es ist schwerer, ihm nahezukommen als den anderen Schimpansen.«
»Wie meinst du das?«
»Er ist nicht so anhänglich. Es hat fast den Anschein, als hielte er mich für seinen Diener. Im einen Moment ist er noch ganz lieb und kindlich, und im nächsten auf einmal aggressiv, destruktiv und gleichgültig.«
»Vielleicht ist er einfach noch ein Kleinkind«, mutmaßte Jamie.
»Aber er ist nicht verletzlich wie ein Kleinkind. Er sieht mich nie an und heischt um meine Anerkennung.
Ich glaube, emotional ist er mehr wie ein Teenager als wie ein Kleinkind.«
Jamie drehte sich auf die rechte Seite. »Komisch, aber irgendwie erwarte ich, dass er sich emotional wie ein Mensch entwickelt. Ich erwarte, dass er genauso lernt wie ein Menschenkind, sogar in derselben Reihenfolge. Doch dafür gibt es keinen Grund. Er ist einzigartig und entwickelt sich vielleicht völlig anders als ein Mensch.«
»Das habe ich mir auch schon überlegt. Nach einigen der Tests, die wir gemacht haben, habe ich mich zu fragen begonnen, wie seine emotionale Ausrichtung und sein Verhalten wohl sein werden. Wie verändert es seine Gefühlswelt, dass er ein höher entwickeltes Gehirn hat?«
»Das ist die große Frage. Ich zerbreche mir seit dem Experiment mit dem Tomografen den Kopf darüber, was eigentlich die menschliche Seele ausmacht. Wenn man den Verstand einmal ohne die übliche Geheimnistuerei und Angst betrachtet, was bleibt dann als Kern übrig? Ich komme immer auf dieselbe Antwort: Es sind unsere Gefühle.«
»Wie das?«
»Nichts ist für einen Menschen so persönlich und so unersetzlich wie seine Art zu fühlen. Der Punkt ist, dass wir uns durch die Tiefe unserer Gefühle und das ganz persönliche Gefühl von Identität, das sie uns geben, von Tieren und Computern unterscheiden. Es geht darum, was wir empfinden, wenn wir ein blühendes Tulpenfeld sehen oder ein Baby kichern hören oder feuchten Sand zwischen den Zehen spüren. Es geht darum, Mitgefühl mit den Eltern eines entführten Kindes zu haben oder verlegen zu werden, wenn wir Badeanzüge anprobieren.«
»Ja, sicher, Jamie. Was ist daran so erstaunlich?«
»Wir gehen die Sache nicht richtig an. Wenn wir beweisen wollen, dass der Schimpanse eine Seele hat, dann müssen wir nach einer Methode suchen, seine Schwächen zu messen, nicht seine Intelligenz. Statt zu beweisen, dass er Probleme lösen kann, an denen mancher Mensch scheitern würde, sollten wir demonstrieren, dass er etwas komplett vermasseln kann, obwohl er es besser weiß.«
»Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich dir folgen kann.«
Jamie sah zu, wie der Schimpanse von der Schaukel sprang und zu einem Stapel Bauklötze schlenderte. »Sieh es mal so: Die meisten Dinge, die wir mit unserem tiefsten Inneren assoziieren, sind im Grunde Belege für schlechte Anpassung. Wie oft erweist sich denn ein gekränktes Ego,
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