Die Erben der Schöpfung
rannte die Gruppe los und stürmte an dem Affen vorbei zu ihrem wartenden Boot. Entsetzt musterte Jordan den Schimpansen, während jemand durch das Megafon brüllte: »Wir kommen wieder!«
Während die Demonstranten in der Ferne verschwanden, sahen die Wachleute hilflos zu, wie die Zuckungen des Affen nachließen und das Tier regungslos am Boden liegen blieb. Diego wandte sich an Jordan. »Das ist doch der mit dem Halsband, oder? Warum machen eigentlich alle eine solche Geheimnistuerei um ihn?«
Jordan legte väterlich einen Arm um Diego. »Das kann ich dir nicht sagen, mein Sohn. Sei einfach dankbar dafür, dass er uns geholfen hat, diese Hippies loszuwerden. Das sind vielleicht Idioten.«
Nakamura lief zur Tür seines Büros, wo ihn Michaels und Simons bereits erwarteten. »Was ist denn passiert?«, fauchte er und sah sich um, um sicherzugehen, dass niemand anders in der Nähe war.
»Eines der Tiere ist aus dem Käfig entwischt.«
»Ist es wieder gefangen worden?«
»Noch nicht. Wir hatten keinen Tranquilizer.«
Simons redete auf Michaels und Nakamura zugleich ein. »Ich habe euch ja gleich gesagt, dass wir nicht die Laborassistenten die Chimären versorgen lassen sollen. Einer von ihnen muss eine Tür offen gelassen haben. Die Schimpansen sind zu intelligent und zu wütend, als dass wir uns solche Fehler erlauben könnten. Was, wenn er entkommen ist? Der hier hat weiß Gott nicht so viel positive menschliche Zuwendung erfahren wie der Alpha.«
»Was haben wir denn schon für eine Wahl?«, fauchte Michaels zurück. »Willst du etwa acht Stunden am Tag Affenkacke schaufeln?«
Nakamura hob die Hände. »Ich habe eine Betäubungspistole in meinem Büro. Gehen wir rein und schaffen wir den Affen in seinen Käfig zurück. Dann können wir weiterreden.«
Die anderen beiden nickten, und Nakamura machte die Tür auf.
Sie betraten zu dritt das Büro, wo Nakamura die Pfeilpistole aus dem Schreibtisch nahm. Dann griff er nach seinem Namensschild und zog es durch das Kartenlesegerät an der Tür zum Labor. Die anderen folgten ihm.
Drinnen angelangt, stach ihnen ein offener Käfig in der mittleren Reihe ins Auge.
»Ich dachte, ihr hättet gesagt, ausgebrochen, nicht verschwunden! Wo ist er?«, fragte Nakamura ärgerlich.
»So hat man es mir berichtet!«
Die drei gingen auf den Käfig zu.
Als hinter ihnen ein dumpfer Schlag ertönte, wirbelten sie herum. Ein Schimpanse stand allein in der offenen Tür zum Büro. Wo kam er her? Michaels sah zu dem Gewirr aus Rohren und Leitungen an der Decke hinauf. Der Schimpanse stieß ein leises, gedehntes Pfeifen aus.
Nakamura legte unverzüglich die Betäubungspistole an und zielte. Als er gerade schießen wollte, erklang hinter ihm ein metallisches Klirren. Er drehte sich um. Sämtliche gentechnisch veränderten Schimpansen aus beiden Reihen, also insgesamt ein paar Dutzend, hatten nun ihre weit offen stehenden Käfige verlassen und kamen auf sie zu – auf ihn.
Simons begann zu schreien.
II. TEIL
EINE EINSAME UND
TROSTLOSE WELT
Das Waldesinnere ist magisch und voller Leben – ein Zauberreich, in dem alles möglich ist… Bambusartiges Gras wächst mit einer Geschwindigkeit von einem Meter pro Tag bis zu dreißig Meter in die Höhe… Es gibt »Rosen«, deren Stämme einen Durchmesser von fünfundvierzig Metern aufweisen, Gänseblümchen und Veilchen von der Größe von Apfelbäumen, zwanzig Meter hohe Baumfarne… und Seerosenblätter mit anderthalb Metern Durchmesser… Blumen mit einem Durchmesser von einem Meter, die siebzehn Kilo wiegen und mehr als zehn Liter Flüssigkeit in ihren Nektarien bergen… Fledermäuse mit Flügelspannweiten von anderthalb Metern, Kletterpalmen mit Zweihundertvierzig-Meter-Stämmen, fünf Meter lange Kobras… Frösche, die so groß sind, dass sie Ratten fressen und Nagetiere, die ihrerseits über fünfzig Kilo wiegen.
Arnold Newman,
Tropical Rainforest (New York, 1990)
Dann gebot Gott, der Herr, dem Menschen: Von allen Bäumen des Gartens darfst du essen, doch vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse darfst du nicht essen; denn sobald du davon isst, wirst du sterben.
Genesis 2,16-17
15
»Wollen wir es noch einmal versuchen, Mrs. Thompson?« Susan Archer-Bentham schaltete mit einem Klicken ihr Aufnahmegerät ein, ehe sie die Hände über ihrem weinroten Hosenanzug faltete. Im Bemühen, so wenig Tuchfühlung wie möglich zu der abgeschabten Couch aufzunehmen, richtete sie sich auf und begann zu
Weitere Kostenlose Bücher