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Die Erben der Schöpfung

Die Erben der Schöpfung

Titel: Die Erben der Schöpfung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Anderson
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sich um eine hervorstehende Wurzel, und sie nahm die andere Hand zu Hilfe, um sich gegen die Strömung zu stemmen, die sie flussabwärts mitreißen wollte. Indem sie die Füße heranzog, fand sie in dem nur brusttiefen Wasser Bodenkontakt und konnte sich aufrichten. Dann zog sie sich an der Wurzel entlang ans Ufer, wo sie schwer keuchend im Sand liegen blieb.
    Als sie den Blick hob, sah sie Carlos und Ayala auf sich zulaufen. Carlos war als Erster bei ihr. Susan funkelte ihn zornig an. »Sie sind beide gefeuert«, stieß sie mit letzter Kraft hervor. Carlos grinste erleichtert.
    Ayala kam kurz darauf an. »Gut gemacht – wir sind wahrscheinlich nur zwei, drei Kilometer von dem Schimpansen entfernt. Nicht schlecht für einen ersten Absprung.«
    Susan war völlig erledigt. Sie suchte nach Worten, brachte aber nichts anderes heraus als: »Ich bin patschnass!«
    »Gewöhnen Sie sich daran«, erwiderte Ayala. »Sie sind mitten im Amazonasbecken; hier regnet es an zweihundert Tagen im Jahr.«
    Susan suchte ihren Körper nach Verletzungen ab und wischte sich das Blut von einer Schramme am linken Unterarm. Ihre Finger waren trotz der Handschuhe voller Schlamm und brannten von dem festen Griff um die Wurzel. Mit angeschlagenem Ego, schmerzenden Gliedern und pochendem Herzen stand sie auf und klopfte sich den Schmutz ab. »Dann wollen wir mal«, sagte sie.
    Carlos und Ayala hatten sich bereits auf den Weg flussaufwärts gemacht.

23

    Der Waldboden parierte jeden Schritt von Jamies Wanderstiefeln mit einem kleinen dumpfen Geräusch. Selbstsicher und zielstrebig führte sie ihre Gruppe tiefer in den Dschungel. Ihre Beinmuskeln reagierten unverzüglich auf jeden Befehl, und das rhythmische Reiben ihrer Schenkel gegen den Stoff der Shorts ließ sie sich jung und dynamisch fühlen. Sie war in diesem Dschungel zu Hause, wo nur die Starken überleben und ein Aufenthaltsrecht haben.
    In regelmäßigen Abständen sah sie zu Jeremy und Mercer zurück, die nur mühsam mit Jamies sportlichem Tempo mithalten konnten. Mehr als einmal ertappte sie einen der Männer dabei, wie er beim Gehen ihre Hüften fixierte. Sollten sie ruhig glotzen.
    Der Wald war erhaben und elegant geworden und hatte nichts mehr mit dem dichten Unterholz in Flussnähe gemein, durch das sie sich anfangs mühsam den Weg hatten bahnen müssen. Die ersten fünfhundert Meter vom Flussufer entfernt sah der Wald ganz anders aus als weiter innen, wo hohe Bäume aus dem Blick und in einem schwach leuchtenden grünen Himmel verschwanden und der Waldboden verblüffend leer war. Das matte Licht, das durchs Blätterdach drang, ließ im Erdreich nur wenig wachsen, und neben dem Humus aus herabgefallenen Ästen und Laub sowie den allgegenwärtigen Insekten, die darin lebten, war der Boden, abgesehen von vereinzelten Gräsern, Blumen und Farnen, unbewachsen.
    Bäume von erstaunlicher Vielfalt, zugleich jedoch monotoner Ähnlichkeit erhoben sich auf allen Seiten wie Säulen eines unendlich großen, vergessenen griechischen Tempels. Hin und wieder drang ein Lichtstrahl hindurch, wenn ein umgefallener Baum ein Guckloch zum Himmel preisgab oder ein Grüppchen kleinerer Bäume oder Farne zu sehen war. Die meisten Bäume waren von imposanter Größe und hatten Durchmesser von mehr als einem Meter, während andere erstaunlich dünn waren und manche wiederum so dicke Stämme hatten, dass die drei Wanderer sie nicht hätten umfangen können, wenn sie sich Fingerspitze an Fingerspitze nebeneinandergestellt hätten. Viele wurden durch breite Brettwurzeln gestützt, die selbst einen halben Meter Durchmesser hatten und sich kurvenreich von den Stämmen wegwanden.
    Jamie war froh, nicht mehr im Labor zu sitzen und wieder im Dschungel zu sein. Neben ihrer Begeisterung darüber, den Schimpansen entdeckt und Experimente erlebt zu haben, die ihre kühnsten Träume übertrafen, sowie den hektischen Vorbereitungen für die Expedition, hatte sie gar nicht gemerkt, wie sehr ihr der Regenwald fehlte. Es fehlte ihr, zur Geräuschkulisse des Lebens aufzuwachen, die feuchtheiße Luft zu riechen und sich frei zu fühlen. Nun kreisten ihre Gedanken ständig um den Schimpansen. Was er wohl machte? Und wie lange musste sie ihn wohl noch studieren, bis sie ihn wirklich verstand? Eines stand fest: Niemand würde ihre Experimente und die sich daraus ergebenden schockierenden Schlussfolgerungen über die Seele glauben, solange sie das Tier nicht vorzeigen und ihre Behauptungen untermauern konnte.
    Schweißtropfen

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