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Die Erben der Schwarzen Flagge

Die Erben der Schwarzen Flagge

Titel: Die Erben der Schwarzen Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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dieser Plan fehlschlägt, wird Bricassart gewarnt sein und der Angriff auf Port Royal von vornherein zum Scheitern verurteilt. Viele Männer werden einen sinnlosen Tod sterben – wollt Ihr dieses Wagnis wirklich auf Euch nehmen?« Scarborough war so laut geworden, dass sich seine Stimme überschlagen hatte; Zornesröte war ihm ins Gesicht gestiegen, seine Hände zitterten.
    »Dessen bin ich mir durchaus bewusst, Captain«, entgegnete Lancaster ruhig. »Dennoch bin ich geneigt, unserem jungen Master Graydon Recht zu geben. Wer von meinen Leuten sollte das Kommando anführen, das in Bricassarts Festung eindringen wird? Ihr etwa?«
    »Sir, ich bin Befehlshaber der Prosecutor und Euer Stellvertreter. Ich dürfte wohl kaum die geeignete Person für ein Unternehmen wie dieses abgeben.«
    »Da habt Ihr’s. Dieser junge Mann hier« – er deutete auf Nick – »hat sich hingegen freiwillig erboten, uns diesen wertvollen Dienst zu erweisen, unter Einsatz seines Lebens. Warum also sollte ich ihm nicht vertrauen?«
    »Weil wir ihn nicht kennen, Sir. Was, wenn er uns belügt? Wenn er in Wirklichkeit etwas anderes im Schilde führt? Könnte es nicht auch sein, dass er uns in eine Falle zu locken versucht? Dass er in Wahrheit für Bricassart arbeitet?«
    »Sir«, sagte Nick entrüstet, »ich kann verstehen, dass Ihr nicht jedem dahergelaufenen Fremden Euer Vertrauen schenken wollt. Aber wenn Ihr mich noch einmal in einem Atemzug mit Bricassart erwähnt, so werdet Ihr es bitter bereuen.«
    »Was soll das bedeuten?«
    »Das bedeutet, dass ich mich von niemandem beleidigen lasse. Auch nicht von einem Offizier der englischen Krone.«
    »Ihr verlangt Satisfaktion? Dazu habt Ihr kein Recht.«
    »Im Gegenteil, werter Captain«, widersprach der Admiral. »Nick hat sehr wohl das Recht dazu, Euch zum Duell zu fordern. Er mag kein Offizier sein, aber es fließt edles Blut in seinen Adern.«
    »Das ist nicht erwiesen.«
    »Vielleicht nicht für Euch, Captain, aber für mich jedenfalls.« Lancaster nickte, schien für sich zu einem Entschluss gekommen zu sein. Kurzerhand zückte er seinen Säbel und reichte ihn mit dem Griff voraus an Nick, der die Waffe verblüfft entgegennahm.
    »Nicolas Graydon«, fragte der Admiral dazu, »schwört Ihr bei diesem Stahl, dass Ihr die Wahrheit gesprochen habt und Ihr Eure Mission nach besten Kräften ausführen werdet?«
    »Das schwöre ich, Sir«, entgegnete Nick ohne Zögern. Die Unwahrheit hatte er tatsächlich nicht gesagt, sondern nur einige Dinge ausgelassen, die dem Admiral vermutlich weniger gefallenhätten. Allerdings hatte Nick den Eindruck, dass Lord Cliffords alter Freund ihn ohnehin längst durchschaut hatte.
    »Dann ist es beschlossen«, sagte Lancaster zu Scarboroughs Missfallen. »Wir werden Port Royal angreifen – und der junge Master Graydon trägt die Hoffnung auf den Sieg …«

5.
    E s war kalt, feucht und dunkel, und nur das leise Fiepen in der Schwärze zeigte Elena de Navarro an, dass sie nicht allein war in ihrer Zelle.
    Zum ersten Mal in ihrem Leben erlebte die Doña die grausige Wirklichkeit eines Kerkers. Nachdem sie sich geweigert hatte, ihrem Vater zu gehorchen und in die Ehe mit Damian Bricassart einzuwilligen, war sie von dessen Handlangern ergriffen und in die düsteren Katakomben der alten Gouverneursfestung verschleppt worden.
    Der Gestank von Fäulnis und Verwesung verpestete auch hier unten die Luft. Der Kerker war durchdrungen von grässlichen Geräuschen. Unmenschliche Schreie waren zu hören, die durch die Gänge hallten, dazu immer wieder das Trippeln winzig kleiner Pfoten über den nackten Stein. In der Dunkelheit der Zelle konnte Elena die Hand nicht vor Augen sehen, aber immer wieder merkte sie, wie etwas gegen ihre Füße stieß, zaghaft zunächst, dann immer zudringlicher.
    Ratten!
    Die junge Frau schrie vor Ekel und trat blindlings zu, versetzte einem der Tiere einen Stoß, dass es quer durch die Zelle flog undgegen die kahle Wand klatschte. Aber schon war ein Dutzend seiner Artgenossen zur Stelle und drängte von allen Seiten heran, schnüffelnd, pfeifend, knabbernd. Von Grauen geschüttelt, zog sich Elena an die hinterste Zellenwand zurück, presste sich gegen das kalte und feuchte Gestein, während sie wie von Sinnen schrie.
    Sie spürte, wie die Ratten in der Dunkelheit um ihre Füße wimmelten und an ihren Beinen emporkriechen wollten. Lauthals brüllte sie um Hilfe, zitterte am ganzen Leib vor Abscheu und Todesangst, während sie sich immerzu fragte,

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