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Die Erben der Schwarzen Flagge

Die Erben der Schwarzen Flagge

Titel: Die Erben der Schwarzen Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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sein ganzer Stolz war. Er bewunderte sie sowohl für ihre Schönheit, die sie von ihrer Mutter geerbt hatte, als auch für ihre Klugheit, deren Urheberschaft er für sich selbst in Anspruch nahm. Er hatte sie auf die besten Schulen geschickt und in der hohen Kunst der Diplomatie und Politik unterweisen lassen – eine Gunst, die jungen Frauen selten genug zukam, da ihre Familien sich gewöhnlich darauf beschränkten, sie standesgemäß zu verheiraten. Navarros Tochter war denn auch die einzige Studentin am Konservatorium gewesen, aber mit Charme und Scharfsinn war es ihr gelungen, ihre Lehrer für sich einzunehmen. Elena war sicher, dass sie ihrem Vater bei der Verwaltung der Provinz eine wertvolle Hilfe sein konnte, wenn sie sich erst richtig eingelebt und die Verhältnisse vor Ort ausreichend studiert hatte – und sie war ebenso sicher, dass ihr Vater mit ihr höchst zufrieden sein und ihr wie immer jeden Wunsch von den Augen ablesen würde.
    Noch eine Weile stand Elena am Fenster und blickte hinaus, und für einen kurzen Augenblick hatte sie das Gefühl, als gehöre all das, die Stadt und das Land und selbst das unendliche Meer, ihr ganz allein. Mit einem Lächeln wandte sie sich ab und wollte sich wieder zur Ruhe begeben, als sie gedämpfte Stimmen hörte.
    Da sie ihren Vater darunter zu erkennen glaubte, spitzte sie die Ohren. Und natürlich fragte sie sich, was der Conde zu so später Stunde – es war weit nach Mitternacht – noch zu verhandeln haben mochte. Den Umhang aus grünem Samt um die Schulterngeschlungen, trat sie an die Tür und öffnete sie einen Spalt, lauschte hinaus in den Korridor.
    Kein Zweifel. Von den Stimmen gehörte eine ihrem Vater. Die andere Stimme kannte Elena nicht, und die junge Frau spürte ihre Neugier erwachen. Lautlos stieß sie die Tür ihres Gemachs gerade so weit auf, dass sie hinausschlüpfen konnte. Glücklicherweise stand keine Wache auf dem Gang – es hätte der Tochter des Grafen nicht gut zu Gesicht gestanden, im Nachtgewand gesehen zu werden. Leise schlich sie in die Richtung, aus der die Stimmen kamen, und sah flackerndes Licht, das aus dem Privatsalon ihres Vaters drang. Und während Elena leise über die mit Teppich beschlagenen Dielen schlich, konnte sie endlich auch verstehen, was die Stimmen sagten.
    »Es ist ein Skandal, ein schändlicher Skandal«, hörte sie ihren Vater aufgeregt lamentieren. »Wie viele meiner Galeonen müssen den raffgierigen Piraten noch in die Hände fallen, bis die Armada endlich gedenkt, etwas dagegen zu unternehmen?«
    »Verzeiht, Exzellenz«, erwiderte jemand, dessen Stimme zerknirscht und unterwürfig klang. »Die Armada unternimmt bereits alles Menschenmögliche, um der Gefahr durch die Piraten Einhalt zu gebieten und die spanischen Gewässer wieder sicher zu machen.«
    »Vielleicht«, scholl es schnaubend zurück, »ist das eben noch nicht genug, Senõr Capitán. Weshalb sind meine Transportschiffe stets auf sich allein gestellt, wenn sie zu den Schatzhäfen unterwegs sind? Warum bekommen sie keinen Begleitschutz durch die Armada? Mit einem Flottenverband schwer bewaffneter Galeonen müsste diesem Piratengesindel schließlich beizukommen sein!«
    Inzwischen hatte Elena die Tür zum Salon erreicht und beugte sich vor, um einen Blick durch den Türspalt zu werfen.Flackerndes Kaminfeuer erhellte den Raum; hinter dem mächtigen vergoldeten Schreibtisch erblickte Elena ihren Vater, der die Hände auf dem Rücken verschränkt hatte und mit finsterer Miene auf und ab ging. Auf der anderen Seite des Tisches standen zwei Männer, den Uniformen nach Offiziere der Armada de Barlavento, die ihre breitkrempigen Hüte mit den Federbüschen nervös in den Händen kneteten.
    »Natürlich könnten wir die Piraten fassen«, versicherte der eine, »aber dazu brauchten wir mehr Schiffe und mehr Männer. Durch den Seekrieg gegen Frankreich sind unsere Kräfte gebunden, Exzellenz. Selbst der Vizekönig in Cartagena kann nicht …«
    »Was der Vizekönig kann oder nicht kann, ist mir einerlei«, stellte der Conde klar. Auf die Tischplatte gestemmt, beugte er sich vor und blitzte die beiden Offiziere zornig an. »Alles, was ich weiß, ist, dass vor zwei Tagen schon wieder ein Silbertransport gekapert wurde – und das, obwohl ich alle nur denkbaren Vorsichtsmaßnahmen ergriffen habe. Die Bestimmungsorte der Galeonen werden streng geheim gehalten, zudem habe ich sie mit Geschützen der neuesten Bauart bestücken lassen. Aber immer wieder kommen mir diese

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