Die Erben des Terrors (German Edition)
verorten. Aber wenn der Mann nicht im Heck war, dann war er entweder gar nicht da, oder im Vorschiff. Und das bedeutete, dass er nicht den Niedergang benutzen könnte, denn da wäre er zu sichtbar – und hätte keine Einsicht ins Vorschiff. Zu riskant. Er stieg, gebückt gehend, auf das steuerbordseitige Deck und schlich langsam nach vorne.
Dreyer merkte, wie sich das Schiff nach Steuerbord neigte, mehr, als das übl iche Schwanken erklären würde. Und dann wieder das „Klonk“ von vorher. Er wurde misstrauisch, vielleicht war jemand an Bord.
„Blöder Gedanke“, war er eine halbe Sekunde später versucht, ihn wieder zu ve rwerfen. Nachdem, was der MAD-Mann ihm gesagt hatte, behielt er den Gedanken. Er öffnete das Schapp unter dem Waschbecken, griff tief hinein und fand den Plastikbeutel, den er gesucht hatte. Er nahm ihn heraus, zog den Plastik-ZipLock zur Seite und entnahm den Inhalt: Eine SIG Sauer P226. Er hatte die Waffe in Margarita von Jesús Gómez bekommen, als kleines „Dankeschön“ – der Inhalt des schweren, braunen Umschlags. Er war dafür sogar dankbar, hatte er doch sowieso mit dem Gedanken gespielt, eine zu beschaffen, denn die Gewässer um Venezuela waren zwar sehr schön, nur leider voller Piraten.
Nicht solchen Piraten wie in Somalia, organisierten Truppen mit mehreren Bo oten, automatischen Gewehren und gar Panzerfäusten. Vielmehr Fischer, die sich nebenbei durch das Ausrauben reicher Segler etwas dazuverdienten. Und die Waffe, vergleichbar mit der Walter P8, die er bei der Bundeswehr sehr selten benutzt hatte, sollte, so hatte er gehofft, ausreichen, um solche Piraten abzuschrecken, zu vertreiben oder etwas in der Richtung.
Aber Dreyer war keinen Piraten begegnet und hatte die Waffe vergessen – er wol lte sie eigentlich loswerden, bevor er in St. Lucia ankam, der Zoll versteht mit so etwas keinen Spaß. Jetzt war er darüber sehr glücklich, lud die Waffe durch, drückte den Sicherungshebel nach unten und öffnete die Tür. Nichts zu sehen.
Xi war am Niedergang und den beiden Luken über dem Salon vorbei und hatte noch nichts gesehen. Er näherte sich einem kleinen Luk. Vorsichtig riskierte er einen Blick, um eine leere Toilette vorzufinden. „Wo ist der Mann“, fragte er sich in Gedanken nochmals, als er weiter nach vorne ging, wo ein weiteres Luk darauf wartete, begutachtet zu werden. Geräuschlos zog er das Tauchmesser aus seinem Schaft und nahm es in die rechte Hand.
Dreyer ließ die Türe offen und drehte sich um hundertachtzig Grad, die Waffe vor dem Körper, immer in Blickrichtung. Erstaunlich, stellte er fest, wie sehr das Training in einem drinbleibt. Ist wohl wie Fahrradfahren. Aber im Vo rschiff war nichts zu sehen, nur der frische Luftzug aus dem Luk kam auf ihn zu. Er drehte sich zurück zum Salon und ging auf den Niedergang zu. Auch oben war nichts zu sehen. Er begann, die Stufen hochzusteigen.
Enttäuscht darüber, dass auch im Vorschiff außer einer Unmenge prall gefül lter Taschen nichts zu finden war, überdachte Xi seine Strategie. Sein Auftrag war klar: Dreyer und die Frau töten, danach Treffen mit dem Unterseeboot Hainan in internationalen Gewässern und Übergabe der Yacht an die Admiralität. Plötzlich hörte er ein Geräusch.
„Verdammte Stufe“, wollte Dreyer fast schreien, als die zweite Stufe von oben an der Niedergangstreppe knar rte.
Xi sah sich um, er war ungeschützt und leicht zu sehen, da wo er stand. Aber nach unten ins Schiff? In dem Moment sah er einen Kopf aus dem Niedergang auftauchen. Der Kopf hob sich schnell zwanzig, dann vierzig Zentimeter an und drehte sich sofort zu ihm um.
Dreyer war die beiden nächsten Stufen schneller hochgestiegen, es gab keinen Grund mehr, zu versuchen, leise zu sein. Achterlich war nichts Verdächtiges zu sehen, also drehte er sich um. Und sah einen Menschen auf dem Vorschiff in der Hocke. „Hey“, schrie er, seine Waffe auf die Gestalt richtend.
Xi sah in die Mündung von Dreyers Waffe. Er war acht, vielleicht neun Meter von dem Mann entfernt, der im Mondlicht durchaus Ähnlichkeiten mit dem Mann in der Akte hatte. Wie konnte er ihn übersehen haben? Aber gut, er hatte jetzt andere Probleme. Acht Meter gegen eine Pistole sind eine ungünstige Distanz. Drei M eter, vier Meter, das würde noch gehen. Aber acht Meter, vor allem mit den ganzen Seilen auf Deck und den Wanten, die den Mast am Schiff hielten im Weg – das war wie ein Labyrinth.
Gut, der Mann war sicher kein Profi, aber er hielt die
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