Die Erben des Terrors (German Edition)
nachdem er die grün leuchtende Taste zum Annehmen des Gesprächs gedrückt hatte. Natürlich hatte er Elena eine kleine Erklärung mit auf den Weg gegeben, was sie sagen sollte – kein vernünftiger Mensch sprach auf unverschlüsselten Leitungen Klartext, nachdem jeder vermutete, dass die Chinesen alles abhören. Und seit dem Frühsommer war der ganzen Welt klar, dass zumindest die NSA wirklich alles abhörte. Insofern hatte er Elena ein einfaches Codesystem beigebracht: Sie lässt sich einfach zwei Börsenkurse bestätigen. Wo? Natürlich bei einem Börseninformationsdienst. Wen sollte ein solches Gespräch interessieren? Und auf diese Weise konnte man viele Informationen kommunizieren, beispielsweise involvierte Länder – man fragt nach dem Dow Jones, wenn es um die USA ging, nach dem DAX, wenn es um Deutschland ging. Ging es um Menschen, nahm man Firmen aus den jeweiligen Ländern… ein bisschen musste man allerdings immer raten, insofern hörte er erst einmal zu.
„Können Sie mir bitte bestätigen, dass Siemens heute auf 18 Euro 26.7 Cent gestiegen ist, und die News Corporation auf 64 Dollar 23.2 Cent gefallen? Heute Morgen um vier Minuten nach zehn Uhr, an der New Yorker Börse? Und dann bräuchte ich noch den aktuellen Stand des RTSI.“
Sutter ließ fast das Telefon fallen. Woher konnte Elena das alles wissen? Vor allem aber – was hatten die Deutschen damit zu tun? Die Russen, RTSI, waren klar, und dazu gerne noch Franzosen, Chinesen, der Iran – aber die Deutschen? Gut, Sutter hatte eine hohe Wertschätzung für die Deutschen, weil sie wirklich zuverlässige Waffen herstellten, aber in diesem Fall – er konnte es überhaupt nicht erklären.
Er überlegte kurz und sah auf seine Uhr. Kurz nach Mitternacht. 18 Euro, 64 Dollar – also achtzehnter Breitengrad, vierundsechzigster Längengrad. Siemens gestiegen, also Nord, News Corp. Gefallen, also West. Das waren dreizehn Grad gerade in Richtung Westen, keine fünfzehnhundert Kilometer.
„Madam, Ihre Kurse sind korrekt. Der RTSI steht aktuell bei 630 Punkten.“
Sutter legte auf. Sechs Stunden und dreiundzwanzig Minuten bis null-sechs dreißig, bis zu der Uhrzeit, die er Elena gerade gegeben hatte, dass er da wäre. Mit über zwei Stunden Flugzeit sicher sportlich, aber machbar. Und er musste hoffentlich nicht wieder selbst fliegen – Propellermaschinen waren ja angenehm, aber die Cessna mit den Turbinen war so empfindlich. Debbie hingegen war begeistert gewesen, und ein kleiner Ausflug – wer sollte da schon Nein sagen?
26 . August 2013
18° 24’ 30.73” Nord, 64° 31’ 12.74” West
5 Kilometer südwestlich von Beef Island, Tortola, Britische Jungferninseln
„Beef Island Tower, Beef Island Tower, Cessna Six Yankee Tango Hotel Cha rlie, im Final Leg, da ist eine Propellermaschine auf der Landebahn ”, sagte Debbie Reed routiniert in das Mikrofon vor ihrem Mund. Sutter sah nach rechts aus dem Flugzeug und konnte in der Ferne tatsächlich ein kleines, weißes Fleckchen auf dem grauen Asphalt ausmachen.
„Cessna Tango Hotel, Beef Island Tower. Bestätige Piper Zero Niner auf der Piste im Startvorgang. Setzen Sie ihren Landeanflug unverändert fort.“
Debbie war nicht wohl bei dem Gedanken. Das hier war kein Flugzeugträger oder London-Heathrow, und es gab wirklich keinen vernünftigen Grund, so dicht hintereinander auf die Piste zu gehen. Aber was der Lotse sagte, war Gesetz, und sie hoffte einfach, dass sie in einer knappen Minute nicht gegen eine kleine Piper mit Motorproblemen krachen würde.
„Beef Island Tower, Cessna Tango Hotel , setze Anflug fort”, sagte Debbie mit einem Unterton, der für Sutter irgendwie beunruhigt wirkte. Er war auch unruhig, aber schon, seitdem er festgestellt hatte, dass Elena ihm die Koordinaten eines Flughafens gegeben hatte. Kein vernünftiger Mensch sollte auch nur in die Nähe eines Flughafens gehen, wenn er in einer Situation war, in denen man einen vernünftigen Grund hatte, ihn anzurufen. Und von dem, was Sutter wusste, galt das besonders für die Situationen, in der sich Elena befand.
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Die Cessna setzte so sanft auf, dass man es kaum bemerkte, und Debbie nahm gleich die erste Ausfahrt, rollte mit sicher immer noch achtzig Stundenkilometern über den etwas ruppigeren Bodenbelag des Taxiways, wo sie nach wenigen Augenblicken ein gelb-schwarzer Van überholte. Debbie folgte dem Van bis zu einer Parkposition am nordöstlichen Ende des Vorfeldes, und kurz nach dem Anhalten stieg draußen der
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