Die Erben des Terrors (German Edition)
gezeigt worden waren, würde der Flughafen hier im Vergleich zu dem Flughafen dort, wo sie hinreist, so schäbig wirken wie das Haus ihres Vaters im Vergleich zu diesem Ort.
Und das Haus ihres Vaters war das schönste gewesen, das sie bis vor zwei T agen jemals gesehen hatte. Aber wenn schon in so kurzer Zeit so schöne Plätze wie dieser erreicht werden konnten, dann wäre die Welt, die sich ihr mit diesen Flugzeugen eröffnen würde, nahezu unbegrenzt. Man konnte sie durch die große Glasscheibe neben den Schaltern sehen, und Şemşat wäre am liebsten zu der Scheibe gegangen, aber ihr Begleiter lief direkt zu den Schaltern, und Şemşat folgte ihm.
Schließlich wollte sie nicht gleich eine Woche nach ihrer Eheschließung eine schlechte Ehefrau sein. Der Mann war ihr schon bei ihrem ersten Treffen sy mpathisch gewesen, nicht zu alt, volles, dickes schwarzes Haar, kräftige Statur. Er war so freundlich zu ihr gewesen, als sie ihm im Haus ihres Vaters Tee serviert hatte. Zudem hatte er sich sehr eloquent mit seinen Freunden unterhalten, reichen Arabern, obwohl er selbst Russe war.
Şemşat s Familie hatte ein sehr offenes Verhältnis zu den Russen, vor allem, weil ihre Vorfahren selbst Russen waren, die dreihundert Jahre zuvor einen Handelsposten für die Karawanen einrichteten, die sich nicht an die klassischen Routen der Seidentrasse halten wollten oder wegen des Wetters nicht konnten und lieber weiter südlich ihre Waren nach Westen oder Osten bringen wollten. Ihr Großvater hatte ihr oft Geschichten erzählt, wie der Bau der Eisenbahn das Geschäft der Familie zerstörte und er sich entschlossen hatte, in der Wüste eine moderne Karawanserei zu bauen, einen Treffpunkt und Zufluchtsort für die nomadisch lebenden Turkmenen in der Karakum-Wüste.
Nach mehreren Tagen in der Wüste, eines der Pferde der Gruppe war bereits ve rendet, fanden sie inmitten der Einöde einige alte, verlassene Gebäude, eines davon eine kleine Moschee, von der nur der Eingang aus dem Sand ragte. Şemşats Großvater und seine Kompagnons, wie er sie nannte, wussten sofort, dass es hier Wasser geben müsste, trotz der wenigen Bäume. Und tatsächlich fanden sie einen alten Brunnen, auf dessen Grund eine Pfütze zu sehen war.
Drei Monate später war der Brunnen fünf Meter tiefer und lieferte jeden Tag z uverlässig Wasser. Şemşats Großvater holte seine Frau und die drei Kinder zu sich in die Wüste. Mit den Frauen und Kindern seiner Partner hatte der Ort, den sie Kirpili nannten, sechzehn Einwohner. Bei Şemşats Geburt waren es fast einhundert, einige Neuankömmlinge, die meisten aber waren Nachkommen der drei Wiedererbauer der Oase.
Seit sie klein war hatte Şemşat immer gehofft, dass ein gutaussehender, reicher Fremder auf einem edlen schwarzen Pferd ankommt und sie mitnimmt. Als sie in ein heiratsfähiges Alter kam, hatte sie angefangen zu hoffen, dass er mit einem Auto ankommt. Und als an diesem schönen Tag im vergangenen Jahr an einem Tag gleich vier Fremde in das Dorf kamen, hatte sie gehofft, dass es nicht der Mann mit dem edlen schwarzen Pferd sein wird, der ihren Großvater davon überzeugen würde, dass er gut für ihre Zukunft sorgen könnte.
Nein, sie hatte sofort Augen für den Mann gehabt, der als letzter der vier mit e inem staubigen, alten russischen Jeep durch das Dorf gefahren war. Sie hatte ihn so oft sie konnte angesehen, solange das noch anständig war, und auch so freundlich angelächelt, dass er verstehen musste, dass sie an ihm interessiert ist. Und stellenweise lachten die vier Männer, wie Männer nur lachen, wenn sie sich über Frauen unterhielten, wenn sie den Raum wieder verlassen hatte.
Die Männer hatten arabisch gesprochen, sodass Şemşat nichts verstehen konnte. Aber der Mann, dessen tiefbraune Augen aus seinem durch Sand und Wetter rauen, markanten Gesicht sie so verführerisch angesehen hatten, sprach immer russisch mit ihr. Er hatte sich sogar auf Turkmenisch verabschiedet, mit einem alten Sprichwort, das sich in einer anderen Sprache kaum ausdrücken lässt. Es war ein Versprechen, sie wiederzusehen.
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Timur Murdalov ging an den Check-In-Schalter für den Turkmenistan Airlines Flug nach Almaty, Kasachstan. Es war eine gute Idee gewesen, sagte er sich, schon jetzt, obwohl sich erst in vielen Jahren zeigen sollte, ob die erste Investition des Scheichs in Murdalovs Plan sich auszahlen würde. Aber seine junge Ehe, seit der Hochzeit war kein ganzer Tag vergangen, war soweit sehr angenehm
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