Die Erben des Terrors (German Edition)
verlaufen. Für die eine Million Manat, die Sadzha Nurberdiyew als Brautgeld gefordert hatte, hätte er zwar in seiner Heimatstadt Argun für den Rest seines Lebens Prostituierte bezahlen oder wahlweise drei Frauen kaufen können, aber Şemşat war nicht nur bildschön, sondern im Gegensatz zu den meisten Frauen in Tschetschenien eine anständige Muslima.
Eine anständige Muslima zu heiraten hat auch Nachteile, dachte er zuvor, z umindest im Vergleich zu den Prostituierten in den schon wieder verfallenden Plattenbausiedlungsgebieten in Argun, aber die letzte Nacht hatte ihn diesbezüglich eines besseren belehrt. Nicht nur sah sie bei der Zeremonie mit ihrem reich verzierten, traditionellen Kleid sehr viel besser aus als die meisten Frauen, mit denen Murdalov bisher das Vergnügen gehabt hatte. Vielmehr stellte sich nach Ende der Feierlichkeiten, weit nach Mitternacht, etwas sehr erfreuliches über das Mädchen – nein, jetzt: die Frau - heraus: Das Feuer, das in ihren grünen Augen brannte, brannte in ihrem ganzen Körper. Lange. Und oft.
Murdalov lächelte, als er ohne jegliche Höflichkeitsfloskel die Flugtickets und die seiner Meinung nach ausgezeichnet gefälschten turkmenischen Reisepässe auf den Counter des Check-Ins legte. Die Höflichkeitsfloskel hätte er auf Turkmenisch auch noch sagen können, aber für das meiste andere hätte er Şemşat sprechen lassen müssen. Turkmenistan war zwar ein repressiver Polizeistaat, aber Frauen durften sprechen. Und außerdem spricht sowieso nicht jeder Turkmene Turkmenisch, dachte Murdalov, und er und seine junge Frau sahen sowieso russisch genug aus, um Russisch zu sprechen. Nur eben Murdalov nicht mit turkmenischem Dialekt, weswegen er es lieber vermied.
Der Check-In funktionierte einwandfrei, nur eine obligatorische Frage nach den Koffern (zwei), nicht einmal „Fenster oder Gang“. Die beiden bekamen Plätze auf der linken Seite des Flugzeugs. Die nagelneuen Boeing 717 der Turkmenistan Airlines hatten ein modernes Sitzplatzlayout, drei Sitze rechts und zwei links des Ganges. Sehr angenehm, dachte Murdalov, der seine frischgebackene Ehefrau nicht gleich bei ihrer ersten Reise neben einem stinkenden, betrunkenen Kasachen sitzen sehen wollte.
„Mein Ehemann“, begann Şemşat, nachdem er die Tickets und Pässe in die Innentasche seines Jacketts gesteckt hatte, „haben wir Zeit, die Flugzeuge anzusehen?“
Murdalov sah auf seine Uhr, eine Jaeger-LeCoultre Grand Réveil , das Hochzeitsgeschenk von Scheich Ibn Ladin. Es war ein guter Kontakt gewesen, der Mann hatte Geld im Überfluss: Eine Uhr im Wert einer Mercedes C-Klasse, eine Ehefrau im Wert einer Mercedes E-Klasse, und an ihrem Reiseziel würde sogar eine echte Mercedes S-Klasse auf ihn warten. Und ein prall gefülltes Bankkonto bei den ehrwürdigen Schweizer Privatbankiers Julius Bull & Cie.
Es war noch genug Zeit, wie ihm der Chronograph mitteilte. „Natürlich, Asaal , gehen wir rüber“. Flugzeuge ansehen, vor allem herumstehende, war für Murdalov eher langweilig – in die Luft sprengen, das wäre eine Idee. Aber ansehen? Wäre da nicht diese entzückende Begeisterung, die seine honigsüße Ehefrau – deswegen hatte er sich schnell für den Kosenamen Asaal entschieden – ausstrahlte, nein, im ganzen Flughafen versprühte, Murdalov wäre lieber einen Tee trinken gegangen. Aber allein das Betrachten von Şemşats Faszination ließ ihn die kommende halbe Stunde vergessen.
„ Asaal, wir müssen zur Passkontrolle“, hörte Şemşat ihren Ehemann in seiner tiefen, attraktiven Stimme sagen.
„Passkontrolle?“, fragte sie. „Wir haben doch dem Mann an dem Schalter schon unsere Pässe gezeigt!“
Murdalov überlegte kurz, ob er sie einfach nur böse ansehen sollte, aber entschied sich für die Erklärung: „Ja, aber das war der Mann von der Fluggesellschaft. Jetzt müssen wir noch zu den Leuten von der Regierung“.
Şemşat blickte etwas verängstigt. „Regierung“ hieß in Turkmenistan Polizei oder Militär, wobei der Unterschied zwischen beiden nicht groß war – man wollte mit beiden keinen Kontakt haben.
„Keine Sorge, Şemşat, Asaal, schau doch nicht so. Es ist alles in Ordnung, die Pässe sind perfekt. Das hatten wir doch alles besprochen. Nett lächeln, und falls jemand fragt, halt dich an das, was wir besprochen haben.“
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Amanýaz Pomanow schlug einen schweren, abgenutzten Holzstempel zuerst auf ein Stempelkissen, dann in den Pass des Kasachen mit Namen Juri. Der achte Juri
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