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Die Erben des Terrors (German Edition)

Die Erben des Terrors (German Edition)

Titel: Die Erben des Terrors (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes C. Kerner
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benennt, sollten sie doch Namen haben – vielleicht war ja einer davon Alexander Rybak. Das war zwar erfolglos, aber zumindest existierte die Werft, und irgendwo hatte er die einundsechzig schon mal gehört. Er nahm einen Schluck Rum.
    „Gelesen!“, schrie er fast, und hastete die Niedergangstreppe hinunter, löste deren Befestigung, vier Schiebescharniere an den Ecken, und nahm sie ab. Er betracht ete den makellosen, grün lackierten Motor, der laut seinem Handbuch mit den vielen handschriftlichen Eintragungen ein Mercedes-Benz-Motor OM 352 war. Aber das interessierte ihn gerade nicht, es war die Niedergangstreppe. Er drehte sie um hundertachtzig Grad und lehnte sie gegen das achterliche Schott, um die kleine, grün patinierte Bronzeplakette, die er bei der Erstbeschau nicht genauer beachtet hatte, nochmals genauer zu betrachten.
    Der Text war nicht lesbar, aber die Zahlen waren erhalten geblieben. Zumi ndest nicht für Dreyer, da er die korrodierten kyrillischen Schriftzeichen nicht als Buchstaben erkannte. Sonst hätte er lesen können:
    Верфь : 6 1 Коммунара
    Модель : Никита
    Стр . Номер: 1
    Dreyer überlegte kurz, was die rostige Edelstahlplakette, die sich auf seinem Boot an ähnlicher Stelle befunden hatte, preisgegeben hatte:
    Werft: Saltram
    Modell: Saga 36
    Baunummer: 31
    Er hatte zwar keine Ahnung davon, wie standardisiert diese Plaketten waren, aber wenn die erste Zeile die Werft war, dann stand da, abgesehen von unlesbarer korrodierter Bronze, zumindest „61“. Und wie viele Werften haben eine „61“ in ihrem Namen?
    Gut, es könnte auch das Modell sein, aber das Boot hatte zweiundfünfzig, nicht einundsechzig Fuß. Und sicher keine einundsechzig Meter, das machte keinen Sinn. Nein, beschloss Dreyer, dieses Boot kommt aus einer russischen Werft – gut, einer ukrainischen, aber damals war das ja alles Sowjetunion.
    Dreyer setzte sich auf die steuerbordseitige Salonbank , schenkte sich noch einen Rum ein und dachte nach. Er nahm sein Notebook, hastig auf die gegenüberliegende Bank geworfen, in die Hand und betrachtete nochmals das Bild von Alexander Rybak. Wenn er schon die „61“ aus einer sowjetischen Kriegswerft mit der „61“ auf der Hope in Verbindung brachte, warum nicht dann die beiden Alexander?
    Er versuchte, sich den Soldaten aus dem Zeitungsfoto fünfzig Jahre älter vorz ustellen. Das aber war nicht Dreyers Stärke, wenngleich das markante Kinn geblieben war – soweit man das durch den Bart sehen konnte. Er nahm sein Smartphone aus der Tasche und sah nach, ob er ein Foto von Alexander hatte, vom alten Alexander. Und fand es schnell – etwas unscharf, aber er wusste, wen er da fragen könnte.
    Vorher aber, beschloss Dreyer, müsste er den Tresor öffnen. Auf jeden Fall.

Russland
    28 . Februar 2013
55° 44’ 32.36” Nord, 37° 37’ 51.80” Ost
Voice of Russia Public Radio, Moskau, Russland
    „ Ich werde Sie vermissen, Frau Schein”, sagte der Sicherheitsmann an der Pforte des für Moskauer Verhältnisse kleinen Gebäudes, in dem der größte internationale russische Radiosender untergebracht war.
    „Danke, Dmitry“, entgegnete Şemşat, und schlüpfte in den schweren Nerzmantel, den der Mann ihr hinhielt. Ein unauffälliger Mantel, außen aus rot gefärbtem Leder, man sah ihm seine französische Herkunft und seinen Preis nicht auf den ersten Blick an. Auch nicht die drei Dutzend Nerze, deren Fell auf der Innenseite des Mantels sie bei den heute angenehmen vier Grad unter Null so schön warmhielten. Moskau war auch nach fünfzehn Jahren immer noch kalt, aber Timur hatte gut für sie gesorgt; ihr jeden Wunsch von den Augen abgelesen. Er hatte es sogar für eine gute Idee gehalten, als sie vorschlug, die Universität zu besuchen.
    „Du bist so schön, und intelligent, und redegewandt, du solltest zu den Medien gehen“, hatte er immer gesagt, und Şemşat hatte viel gelesen. Mit vierundzwanzig, als sie es aufgegeben hatte, Kinder zu bekommen, hatte sie sich an der Lomonossow-Universität, der größten Universität Moskaus, Russlands und überhaupt eine der größten der Welt, für das Studienfach Journalistik eingeschrieben. Als sie fertig war, stellte Timur, der den größten Teil seiner Zeit auf Reisen verbrachte, ihr den arabischen Intendanten von Voice of Russia Public Radio vor, der sofort meinte, sie hätte eine großartige Stimme. Und nach zwei Jahren Volontariat durfte sie dann endlich moderieren, nur das Wetter zwar, aber

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