Die Erben des Terrors (German Edition)
Rum sicherheitshalber auf die Niedergangstreppe stellend. Abendessen würde wahrscheinlich ausfallen.
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Eine halbe Stunde und zwei Zigaretten später beschloss Dreyer, dass das alles keinen Sinn machte. Google kannte nicht einen einzigen Alexander Wolfersbacher. Gar nicht. Das war für Dreyer zunächst unverständlich, aber schließlich war der Mann alt, im Gegensatz zu Google. Es gab aber auch keinen anderen Mann namens Wolfersbacher, und Schweizer Banker gehen ja nicht einfach so verloren, nur weil sie ihre Bank verkaufen. Und komischerweise lag der einzige Fluss mit dem Namen Wolfersbach auch noch im Schwarzwald und nicht in der Schweiz.
Doch Seemannsgarn, hatte er zuerst gedacht, aber Walter Bull, den Mann von der Visitenkarte, den gab es wirklich. Den würde er aber nicht fragen können, denn der hatte Dreyers eigene Geburt nicht erlebt. Insofern… nun, in irgendeiner Hafenstadt in Venezuela würde es schon einen Safeknacker geben, oder einen Tresormenschen oder wie die Leute heißen. Aber bis dahin… Alexanders Vater war irgendwann 1963 gestorben, wenn das Schiff 1964 fertig war, so was dauert ja schließlich eine Weile. Und die dreihundertfünfundsechzig Tage in diesem Jahr hätte er in – er überlegte kurz – knapp über vier Stunden durch. Wenn es denn Dezember wäre. Er klappte das Notebook zu und ging wieder nach unten.
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Weniger als zwei Stunden später hatte Dreyer die Kombination gefunden. Der Tresor war noch zu, aber das Zahlenschloss hatte einen deutlichen Widerstand gezeigt, als er sich der Null näherte. Das mechanische Schloss verhinderte ein Öffnen, aber jetzt hatte Dreyer ein Datum. In einer Mischung aus fahlem Mondlicht und dem bläulichen Licht seines Notebooks fragte er Google: „09. Mai 1963“. Sein erster Klick war Wikipedia.
- Weitergeleitet von 09. Mai 1963 -
Attentat auf Nikita Chruschtschow
Am 09. Mai 1963, in der Sowjetunion als Nationalfeie rtag Victory Day zur Erinnerung an den Sieg über die Nationalsozialisten gefeiert, soll ein unbekannter Attentäter, dem vom russischen Geheimdienst KGB unterstellt wurde, ein amerikanischer CIA -Agent zu sein, während der alljährlichen Parade auf dem Roten Platz in Moskau ein Attentat auf Staatschef Nikita Chruschtschow versucht haben, welches nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur TASS von einem Marinesoldaten namens Alexander Rybak verhindert wurde. Über das Ereignis wurde nur in der russischen Presse berichtet und es gilt international als antikapitalistische Propagandamaßnahme .
[Inhaltsverzeichnis]
Dreyer las den Artikel gespannt weiter, erhielt aber nicht mehr Informationen. Dreyer war tendenziell ein großer Fan von Verschwörungstheorien, aber mit so wenig Quellen war das dann doch unglaubwürdig. Der Artikel war im Diskussionsteil höchst umstritten und von einem Autoren verfasst worden, der sonst nur Artikel über „Vorteile des Kommunismus“ und „Sowjetische Nukleare Zweitschlagskapazität“ verfasst hatte, die alle gelöscht worden waren. Nicht mal einen Artikel über Alexander Rybak gab es, wenn man auf den Link klickte.
Alle anderen Suchergebnisse waren allerdings völlig fruchtlos, und nach dem nächsten Glas Rum fing Dreyer wieder an, sich für die Wikipedia-Verschwörungstheorie zu interessieren. Er googlete nach „Alexander Rybak“:
Alexander Igorovitsj Rybak ist ein weißrussisch - norwegischer Sänger . Einem breiten Publikum wurde er durch seinen Sieg beim Eurovision Song Contest 2009 bekannt
Dreyer schenkte sich ein neues Glas Rum ein. Nicht das, was er erwartet hatte. Aber eine halbe Stunde später hatte er in den Tiefen des Internets einen, vielleicht gefälschten Scan einer russischen Zeitung gefunden, mit englischem Begleittext:
Das einzig existente Foto von Alexander Rybak, publiziert am 13. Mai 1961, auf der Titelseite der Moskowski Komsomolez.
Der restliche Inhalt der Internetseite sagte auf den mehr als zwanzig Seiten, die es wären, würde man sie drucken, nicht mehr aus als Wikipedia. Die anonymen Autoren berichteten aber über eine Versetzung Rybaks in den Yachtclub der Admiralität in einer Stadt, die Dreyer nicht aussprechen konnte, und seinem plötzlichen Verschwinden im folgenden Herbst, nach einer Versetzung in die Marinewerft benannt nach 61 Kommunarden in Nikolajew.
Dreyer googlete zuerst nach Kommunarden, nur um festzustellen, dass das der Plural der Einwohner einer Kommune ist. Danach googlete er die 61 Kommunarden, denn wenn man schon eine Werft nach ihnen
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