Die Erben des Terrors (German Edition)
leise Brummen einer Pumpe, und stellte seinen Rum beiseite. Wo, dachte er sich, könnte hier Wasser eingedrungen sein? Die Le itungen des Trinkwassers waren dicht – er hatte selbst beobachtet, wie Jorge sie persönlich mit Druckluft prüfte. Es musste eine Bilgenpumpe sein, eine der Pumpen, die einlaufendes Wasser aus dem Schiff pumpen, damit es nicht voll läuft – etwa wie bei der Titanic, nur, dass es da nicht so gut funktioniert hatte.
Er verfluchte den Erbauer des Schiffes, der ihm keine Konstruktionspläne hi nterlassen hatte, und ging in den kleinen Werkraum, den sich Alexander im Achterschiff neben der Eignerkabine eingerichtet hatte, und nahm einen Philips-Schraubenzieher. Geduldig öffnete er die vier Schrauben der ersten Bodenplatte des Salons, nur um perfekt trockenes, braunschwarz gestrichenes Material vorzufinden.
Drei Bodenplatten später hatte er immer noch keinen Tropfen Wasser gefu nden, dafür aber etwas Interessantes: Am Bugende des Salons, kurz hinter dem Mast, war ein kleiner Tresor eingebaut, recht professionell mit glasfaserverstärktem Kunststoff an das Aluminium des Schiffes laminiert. Als Ingenieur freute sich Dreyer natürlich, dass hier jemand mitgedacht und den Stahltresor nicht einfach an das Aluschiff geschweißt hatte – die Metallverbindung hätte aus dem im Salzwasser schwimmenden Schiff eine Batterie gemacht, die sich langsam selbst entlud – oder im Falle des Schiffes zerstörte.
In dieser Situation aber hatte Dreyer nur einen nutzlosen Tresor, den er, sollte ihn irgendein übereifriger Zollbeamter finden, nicht öffnen könnte. Höchst suspekt. Aber die Laminierung sah so aus, als würde man eher das Boot zerstören als den Tresor herauszubekommen. Und dann hatte er nicht nur ein Schlüsselloch, sondern zusätzlich ein Zahlenschloss.
„Ominöses Boot, schon das zweite Rätsel“, sagte Dreyer laut, bevor ihm auffiel, dass er mit sich selbst sprach. Er blickte auf den mysteriösen Kontrollschalter am Schaltpaneel, der dreimal blinkte, wenn man darauf drückte. Der aber o ffensichtlich nichts kontrollierte, nicht die Starterbatterie, für die gab es einen anderen Kontrollschalter. Auch nicht die vier jeweils über tausend Euro teuren Verbraucherbatterien, die unter der Eignerkoje eingebaut waren. Nicht den Wasser- oder Dieselstand – dafür gab es analoge Tankanzeiger. „Aber was dann?“, sagte Dreyer wieder laut und beschloss, am nächsten Tag wieder nach Porlamar zurückzufahren. Die Gesellschaft hatte ihm gut getan, auch wenn ihm weibliche lieber gewesen wäre als die von Jorge – auch wenn dessen Rindersteaks vom Grill köstlich waren.
Während er seine Banane aufaß und seinen Rum trank , überlegte er, ob er, wie der Tresor geknackt werden könnte. Das mechanische Schloss war alt, insofern würde das sicher gehen, das hatte er mal auf einem Hackertreffen gesehen. Aber das Zahlenschloss – sein Wissen hierzu war nicht beeindruckend, aber normalerweise dreht man dreimal in aufsteigender Richtung auf Zahl eins, dann zweimal in absteigender auf Zahl zwei, und dann einmal, wieder umgekehrt, zu Zahl drei. Wieder Richtungswechsel auf null und fertig.
Wenn denn der Tresor so funktionierte wie der seiner Großmutter. Un d selbst dann gab es einhundert Zahlen, also einhundert mal einhundert mal einhundert Möglichkeiten. Eine Million möglicher Kombinationen. Wie lange das wohl dauern würde, kam ihm in den Sinn, und er probierte es aus: dreimal links auf neunundzwanzig, zweimal rechts auf zwölf, einmal links auf neunundsiebzig, nach rechts zurück auf null.
Nichts.
Gut, er hatte auch nicht wirklich erwartet, dass sein Geburtstag das Rätsel lösen würde. Aber das hatte nur zweiundvierzig Sekunden gedauert. Und es waren jetzt immerhin nur noch 999.999 verbleibende Kombinationen. Würde er, rechnete er kurz aus, ab jetzt nichts anderes machen, wäre er in knapp zwei Jahren mit allen durch.
Wobei, so schoss ihm durch den Kopf, die meisten Menschen nehmen Daten. Besondere, für sie wichtige Daten, und er nahm den neuen Lederordner mit den Gerichtsunterlagen. Er fand Alexanders alten Bootsschein und probierte dessen Geburtsdatum: 25. 04. 1940. Nein. Die Eintragung und damit wohl Erstwasserung des Schiffs, 04.06.1964. Nichts.
„Todestag“, sagte er und schenkte sich angesichts der damit verbundenen G edanken ein weiteres Glas Rum ein. Aber wann war der Todestag von Alexanders Vater? Dreyer nahm sein Notebook, den Surfstick und ging nach oben ins Cockpit, die Flasche
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