Die Erben von Atlantis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
hier?« Evan wirkte nicht sehr erfreut.
»Er ist einer von uns.«
»Einer von uns?«, wiederholte das andere Mädchen. »Er ist vielleicht gerade mal ’ne Minute hier!«
Lilly nahm ihr Haar in beide Hände und wrang es aus. »Ach ehrlich, Aliah? Tja, er hat aber die hier.« Sie tippte sich an den Hals.
»Der Kleine?«, fragte Aliah skeptisch. Obwohl sie lautstark auf einem Kaugummi herumschmatzte, erschien mir ihr feines Gesicht wie ein Kunstwerk: lange dunkle Wimpern, eine kleine silberhelle Nase und winzige Brauen, die sich von ihrer glatten, braunen Haut absetzten. Sie ließ den Blick über mich wandern, und ich glaubte schon, ihr Urteil erraten zu können. Dann aber zuckte sie nur die Schultern. »Von mir aus.«
»Wow.« Marco studierte mich wie einen fremdländischen, aber für den Moment zumindest interessanten Fund.
»Du hast gestern gelogen, oder?«, fragte Evan Lilly. »Der Ärztin hast du erzählt, er wäre nur drei Minuten da unten gewesen.«
Lilly hüpfte lächelnd auf dem Trampolin. »Stimmt. Eigentlich waren es elf – ich habe dich aber die ganze Zeit im Blick behalten«, fügte sie in meine Richtung hinzu.
Ich versuchte mir nicht anmerken zu lassen, was in mir vorging. Sie hat mich im Blick behalten. Ich musste ganz cool bleiben. Gefasst wirken.
Lilly sprang hoch in die Luft, ihr Körper lang und silbern im Mondlicht, dann tauchte sie geschmeidig ins Wasser ein.
Ich gab mir Mühe, mein Gleichgewicht auf dem schaukelnden Floß zu halten. »Ihr habt also auch alle …«
»Kiemen.« Aliah ließ verspielt die Finger an ihrem Hals flattern. »Cool, was? Wir sind eine ganz neue Spezies.«
Marco studierte mich mit einem Stirnrunzeln. »Aber keiner von uns hat sie vor seinem zweiten oder dritten Jahr hier gekriegt. Wie hast du das in nur zwei Tagen geschafft?«
»Keine Ahnung – aber, ich meine, wieso …«
Lilly schoss hinter mir wieder hoch und landete auf dem Floß. Wieder schwankte ich etwas, schaffte es aber, nicht runterzufallen. »Entspann dich, Owen«, sagte sie und legte einen nassen Arm um mich. Ich spürte ihre Haut an meiner Schulter, die Härchen auf ihrem Arm. Ich tat so gelassen wie möglich, merkte aber auch, dass Evan uns nicht aus den Augen ließ. »Wir werden dir alles erklären«, versprach Lilly.
»Zumindest das, was wir wissen«, sagte Aliah.
»Alles, was du für den Anfang zu wissen brauchst, ist Folgendes: Erst mal musst du dir keine Sorgen machen.«
Das Trampolin zitterte, und Lillys Hüfte streifte kurz meine. Keine Sorgen machen … alles klar.
»Nachdem deine Kiemen sich eingewöhnt haben, kannst du Kiemen und Lungen benutzen, wie du sie gerade brauchst«, erklärte Marco.
»Okay.«
»Zweitens«, fuhr Lilly fort, »verdankst du deine Kiemen diesem Ort .« Sie machte eine Geste, die den See und die ganze Kuppel mit einschloss.
Auch wenn ich das alles so cool wie möglich aufnehmen wollte, platzten die Fragen doch nur so aus mir heraus. »Was soll das heißen?«
»Frag das nicht uns«, murmelte Aliah.
»Es ist dieser Ort«, widersprach Lilly. »So viel ist klar. Irgendwas hier löst diese Reaktion in uns aus. Es verändert uns, aber wir wissen nicht genau, was es ist. Und drittens: Du darfst keinem von ihnen was davon erzählen.«
»Wen meinst du? Die Erwachsenen?«
»Vor allem Paul«, sagte Marco.
Evan fing an, auf dem Trampolin zu springen. Dann tauchte er fast lautlos in die Schwärze ab.
»Paul weiß aber schon von meinen Verletzungen«, gab ich zu bedenken.
»Stimmt«, sagte Lilly. »Bei uns hat er es auch bemerkt, als es vor ein paar Jahren begann. Wir waren zu fünft – die andere war Anna. Ihre Kiemen hatten sich am schnellsten entwickelt, und als sie damit zu Paul und Dr. Maria ging, stellten die alle mögliche Versuche mit ihr an …«
»Sie wurde krank davon.« Aliah klang bitter. »Doch je schlechter es ihr ging, desto mehr Experimente wollten sie machen. Sie behaupteten, sie wollten ihr helfen, aber ihr kam es immer so vor, als suchte Paul nach irgendwas, als wollte er etwas Bestimmtes herausfinden. Er hat ihr aber nie verraten, was …«
»Und dann ist sie verschwunden«, schloss Lilly.
»Was meinst du mit verschwunden?«, fragte ich.
»Eines Tages kam sie einfach nicht mehr zurück, und Paul erzählte uns, dass ihr Zustand sich verschlechtert hätte. Angeblich hätte man sie ins Krankenhaus drüben in der Stadt bringen müssen. Und seitdem haben wir nichts mehr von ihr gehört.«
»Könnte sich nicht jemand mal nach ihr
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