Die Erben von Atlantis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
was er tat, ohne es mir mitzuteilen. Es fühlte sich einfach richtig an – und so folgte ich einem neuen Impuls:
Schwimme.
Ich schwamm auf den See hinaus. Als der Steg in die Quere kam, tauchte ich darunter hinweg, bis ich die küh leren, tieferen Schichten erreichte. Ich achtete auf Schmer zen in meiner Seite, meinen Leisten, spürte aber keine Anspannung, keinen Krampf. Ohne die Anstrengung des Atmens, die Luft in meinen Lungen, war mein Körper ganz entspannt und verrichtete seinen Dienst … vielleicht so, wie es immer gedacht gewesen war. Genauso kam es mir vor – doch was hatte es zu bedeuten? Alles, was ich wusste, war, dass es sich gut anfühlte.
Ich war nun unter den Markierungen der Schwimmbahnen und wurde schneller. Mit einem Schwimmzug seitwärts drehte ich mich auf den Rücken und schaute zur hellen Mondprojektion hinauf. Dann vollendete ich die Rolle und tauchte in die eisigen Tiefen. Ich spürte den Druck in meinen Ohren, sah auch nicht sonderlich gut – meine Augen waren für das Sehen an Land gedacht –, also stieg ich wieder ins wärmere Wasser auf. Es erforderte richtig Kraft ohne den Auftrieb von Luft in den Lungen. Doch ich war nicht länger eine schwache Kreatur der Luft!
Ich schwamm in gemächlichem Bogen zum Steg zurück. Das Schwimmen fiel auf diese Art so leicht , viel leichter als Rennen oder sogar Gehen. Nichts hatte sich je so natürlich angefühlt. Mit wachsender Gewissheit hielt ich das für meine Welt, meine Heimat.
Ich weiß nicht, wie lange ich da meine Kreise zog und in die dunklen Tiefen tauchte, lernte, wie ich mich in meiner neuen Wasserwelt zu bewegen hatte. Ich fand heraus, wie ich mich am schnellsten drehen konnte und was der beste Winkel zum Abtauchen war. Der Wasserdruck war mir bald so vertraut wie der Wind, die verschiedenen Temperaturschichten wie Zimmer in einem neuen Haus …
Da hörte ich auf einmal laute Geräusche über mir. Dumpfe Schläge, Schritte auf dem Steg. Dann ein Einschlag. Etwas durchschnitt das Wasser zu meiner Rechten und zog einen Schweif aus Luftblasen hinter sich her. Ich sah einen langen Männerkörper in die Tiefe tauchen und dann langsam emporgleiten. Wieder Geräusche, und abermals durchbrach etwas die Oberfläche meiner Welt. Noch ein Mann, diesmal mit angelegten Knien. Dann ein dritter Taucher, ein Mädchen. Und dann noch eins. Jeder der blassen Körper tauchte unter, trieb aber nicht wieder zur Oberfläche hoch, wie Luftatmer das tun. Stattdessen vollzogen sie weite Bögen und Spiralen, dann schossen sie davon, verschwanden in der Dunkelheit. Das letzte Mädchen schlug noch ein paar Purzelbäume in der Schwerelosigkeit des Wassers, als genösse sie diese ebenso wie ich, dann verschwand auch sie.
Ich wartete, bis alle von der Schwärze verschlungen waren – dann folgte ich ihnen. Sie schwammen näher an der Oberfläche, also blieb ich tiefer, gerade genug, dass das schwache Mondlicht nicht bis zu mir drang. Dabei fragte ich mich, ob es sein konnte, dass sie wie ich waren – wäre das möglich? Aber wie?
Ein großer, runder Schemen kam über mir in Sicht: der Boden des schwimmenden Trampolins. Die Taucher hielten darauf zu und kletterten aus dem Wasser. Haut quietschte auf Gummi.
In größerem Abstand tauchte auch ich vorsichtig auf – nur Augen und Ohren ragten aus dem Wasser, die Kiemen blieben sicher unter der Oberfläche. Am Rand des donutförmigen Gummifloßes sah ich eins der Mädchen sitzen. Weiße Träger kreuzten sich auf ihrem Rücken, und ihr langes Haar schimmerte silbern im künstlichen Mondlicht. Das zweite Mädchen konnte ich gerade nicht entdecken.
Die beiden Jungen sprangen ausgelassen auf dem Netz herum, das in der Mitte des Floßes gespannt war. Der eine war Evan – er war unschwer an seinen breiten Schultern zu erkennen, so ausladend wie das Oberteil einer Sanduhr. »Marco! Du zuerst!«, rief er.
Der andere Junge sprang hoch in die Luft und schlug einen doppelten Salto ins Wasser.
»Nett«, meinte das Mädchen.
»Dann pass mal gut auf.« Evan sprang noch höher und deutete einen Hechtsprung an, zog dann aber im letzten Moment die Knie ans Kinn, sodass eine gewaltige Welle alles im näheren Umkreis nass spritzte. Das Floß beruhigte sich wieder, von den beiden Jungen aber war erst mal nichts mehr zu sehen. Dann brachen sie auf einmal aus dem Wasser, schossen geradezu in die Höhe und landeten mit den Füßen voran auf dem Floß.
»Ist echt viel schöner ohne die ganzen Kriecher«, meinte Evan und
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