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Die Erben von Atlantis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Die Erben von Atlantis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Die Erben von Atlantis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Emerson
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doch da war bloß das Flüstern von Statik und totem Weltraumschrott. Seufzend schaltete sie das Pad ab und legte es auf den Stein neben die Kerzen.
    Da bemerkte ich das gerahmte Foto, das dort stand. Es zeigte Lilly mit zwei Erwachsenen, einem Mann und einer Frau. Er trug einen Anzug, die Frau einen Sari. Neben ihnen stand noch ein großer, älter wirkender Junge.
    »Ist das deine Familie?«, fragte ich.
    »Ja«, sagte sie leise. »Mom, Dad und Anton. Alle tot.«
    »Was ist ihnen denn passiert?«
    »Das Leben«, sagte Lilly mit einem Achselzucken. »Anton ist in Bangladesch gestorben. Meine Eltern hatten ihn auch hier unterbringen wollen, aber er wollte nicht. Er war sechzehn, alt genug, um Nein zu sagen. Er meinte, so, wie es um die Welt bestellt war, sei es falsch, sich zu verstecken statt zu helfen. Also schloss er sich einer Hilfsorganisation für Klimaflüchtlinge an. Ich war damals erst zehn, deshalb blieb mir nichts anderes übrig, als zu tun, was meine Eltern wollten. Sechs Jahre, nachdem man mich einfror, starb Anton bei einem Fährunglück.
    Wahrscheinlich haben meine Eltern weiter versucht, in die AKF zu kommen, es aber nie geschafft. Die BZ war einfach schon zu voll. Sie blieben in Calgary, im Grenzgebiet. Es war damals noch nicht so furchtbar wie heute, aber schlimm genug. Mom starb an Krebs, Dad an einer neuen Form von Lungenentzündung.«
    »Das tut mir echt leid«, sagte ich. »Meine Großeltern sind auch an so was gestorben.«
    Lilly fuhr fort, als hätte sie mich gar nicht gehört. »Weißt du, was wirklich unheimlich ist? Meine Eltern haben für mich Videobotschaften aufgezeichnet, ihr ganzes Leben lang. So etwa eine pro Jahr, damit ich sie nicht vergesse. Es gibt auch noch ein paar von Anton …«
    Sie schniefte.
    »Sie nannten mich Tigerlilly, ihre kleine Kriegerprinzessin. Ich habe die Videos noch alle – habe sie mir aber nie angesehen. Mit dem ersten habe ich einmal angefangen, aber … es war einfach zu schlimm. Ich weiß ja, dass sie mich vor dem Chaos retten wollten. Und wo ich schon mal hier bin, will ich nicht, dass ihr Opfer nur dazu diente, mich zu einem Versuchskaninchen zu machen.«
    Da schaute sie zu mir auf, und ich sah die Tränen in ihren Augen. »Setz dich doch.«
    Ich wollte erst ihr gegenüber Platz nehmen, doch sie hob den Arm und bedeutete mir, mich neben sie zu setzen.
    Also ließ ich mich zu ihr ins Gras sinken, möglichst ohne sie dabei zu berühren, weil ich nicht zu direkt sein wollte. Sie aber rutschte ein Stück näher und warf mir das Handtuch um die Schultern, wobei sie meinen Arm streifte; ich spürte ihre glatte, nackte Hüfte an meiner.
    Ich merkte, dass sie zu den Sternen hinaufschaute, und folgte ihrem Blick. »Meine Mutter hat uns verlassen, als ich sieben war«, sagte ich.
    »Wo ist sie hin?«
    »Hat sie nicht gesagt. In dem Brief, den sie uns hinterließ, stand nur, dass sie den passenden Fleck für sich finden müsse und dass es ihr leidtäte, dass sie nicht einfach mit uns glücklich sein könnte. Sie hat sich einem medizinischen Transport angeschlossen, weiter konnten wir ihre Spur nicht verfolgen.«
    »Das ist ja Bockmist.«
    »Irgendwie schon. Auch weil ich vielleicht selbst gerne weggegangen wäre. Aber sie war weg und suchte nach sich selbst, und Dad und ich saßen im Hub und lebten wie die Maulwürfe.«
    »Du hättest sie doch suchen gehen können.«
    Der Vorschlag überraschte mich nicht, und fast schämte ich mich, es nie wirklich probiert zu haben, auch wenn mir der Gedanke natürlich mehr als einmal gekommen war. »Ich wollte Dad nicht alleinlassen«, erklärte ich. »Er ist ziemlich krank. Und er mag mich.«
    Lilly schüttelte den Kopf. »Eltern.« Es klang, als wollte sie noch etwas sagen, doch sie tat es nicht.
    »Wie hast du eigentlich die Sachen hergebracht?«, fragte ich mit einem Blick auf die Kerzen und das Pad.
    Sie deutete hinter uns, und da entdeckte ich eine weitere wasserdichte Tasche wie die, in der sie die Taschenlampe aufbewahrt hatte. »Ich hab sie schon vor einer ganzen Weile hier deponiert. So kann ich immer herkommen, wenn ich will. Oder einen Ort zum Nachdenken brauche.«
    »Die Tigerlillyinsel.« Ich versuchte zu lächeln.
    Lilly hob eine Braue. »Ist ja schmalzig«, meinte sie. Dann knuffte sie mich in die Seite. »Quatsch, O. Es gefällt mir.«
    Es gefiel ihr – ein paar Sekunden dachte ich an nichts anderes als das.
    Der einsame, verlorene Ruf einer Eule erklang in der Ferne. Es folgte keine Antwort darauf. Ich

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