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Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Titel: Die Erben von Somerset: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leila Meacham
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kennenlernen.«
    Percy musterte ihn eindringlich. »Dass du dir keine Illusionen über sie machst, Matt. Sie ist nicht nur dem Aussehen nach eine junge Mary, was bedeutet: Ihre Anlagen sind nicht gerade Warwick-freundlich.«
    Matt sah seinen Großvater an. »Klingt nach einer der vorhin erwähnten Leerstellen. Wenn Rachel nach wie vor so hübsch ist, wie ich sie in Erinnerung habe, wäre es für jeden Mann schwierig, sie nicht attraktiv zu finden.«
    Percy wurde ernst. »In Rachels Fall ist der Apfel nicht weit vom Stamm gefallen, und ich möchte nicht, dass du meine Geschichte wiederholst.«
    Matt knuffte ihn gegen die Schulter. »Solange du mir nicht verrätst, wovor ich mich in Acht nehmen soll, bleibt wohl ein Restrisiko, oder?«
     
    Percy lauschte Matts Schritten auf dem Flur nach. Selbstbewusster junger Bengel. Er hatte keine Ahnung, worauf er sich einließ, wenn es dem Schicksal einfiel, sich zu wiederholen. Er hätte sich keine Sorgen um ihn gemacht, wenn Matt ihm selbst nicht so ähnlich gewesen wäre: Immer darauf aus, eine Herausforderung anzunehmen, ungeachtet der vielleicht damit verbundenen Fallstricke …
    Percy stand auf und ging langsam hinaus auf die schattige Veranda vor seinem Zimmer. Dieser Nachmittag war so heiß wie der im Jahre 1914, und das kalte Soda und Marys Hochmut, als sie sein Angebot ausschlug, fielen ihm ein. Er erinnerte sich an alles, daran, wie Mary schmeckte und roch und wie sie sich anfühlte … auch jetzt noch.
    Er zog eine Chaiselongue in den Schatten unterm Dach und streckte sich darauf aus. Die einzige Möglichkeit, Matt auf Rachel vorzubereiten, bestand darin, die von ihm erwähnten
Leerstellen zu füllen, und das würde er niemals tun. Doch wo sollte er anfangen, falls er unvermutet irgendwann auf die Idee käme, seine Geschichte zu erzählen? Vermutlich am Tag seines größten Schmerzes, an jenem Morgen, an dem er aus Kanada zurückgekehrt war und von Marys und Ollies Hochzeit erfahren hatte …

PERCYS GESCHICHTE

DREIUNDDREISSIG
    Howbutker, Oktober 1920
     
    D er Zug fuhr mit Verspätung in den Bahnhof ein. Percy hatte während der einwöchigen Reise von Ontario nur wenig geschlafen, war vor Tagesanbruch aufgestanden, um auf der Plattform zu rauchen, und abends bis nach Mitternacht aufgeblieben, hatte im Salonwagen literweise Kaffee getrunken und sich für seine Dummheit verflucht. Er hätte seine Eltern über sein Kommen informieren sollen, doch dann wäre seine Mutter sofort zu Mary gegangen, und er wusste nicht, wie deren Reaktion angesichts ihres Abschieds ausfallen würde. Deshalb würde er sie überraschen, sie in die Arme schließen, ihr mit seinen Küssen den Atem rauben und ihr sagen, dass ihre Besessenheit von Somerset ihm egal sei, wenn sie ihn nur heiraten und mit ihm zusammenleben wolle.
    Die vergangene Nacht jedoch hatte er tief und fest geschlafen, dann den letzten Aufruf zum Frühstück nicht gehört und hätte sogar beinahe den ersten Blick auf die Piney Woods verpasst. Noch im Halbschlaf war er hastig in Hose und Hemd geschlüpft, um durch den Schlafwagen zur hinteren Plattform zu gehen, wo er das Geländer umfasst und, das halb zugeknöpfte Hemd vom Wind gebläht, die würzige Luft von East Texas kurz vor Herbstbeginn eingeatmet hatte. Dort dachte er nun an die Heimkehr der Jungs von Frankreich damals. Niemals würde er den Anblick Marys auf dem Bahnsteig vergessen, sogar inmitten der Menge distanziert und trotz ihrer altmodischen Kleidung und ihres angespannten Gesichtsausdrucks
wunderschön … seine Mary. Fast da … Fast da … Fast da … , sangen die Räder, und er glaubte ihrer Melodie.
    Ja, bei Gott, fast wieder daheim in Marys Armen, die er nie hätte verlassen sollen. Er war verletzt, wütend und entschlossen, sie zu vergessen, abgereist, weil er sich noch nie damit zufriedengegeben hatte, zweite Geige zu spielen, und sich das auch nicht ändern würde, wenn er heiratete. Er wollte im Mittelpunkt stehen, sonst machte er gar nicht erst mit.
    Doch die Kälte und Abgeschiedenheit der kanadischen Rockies hatten Hochmut und Stolz aus ihm herausgebrannt. Wenn er nachts im Lager den Prahlereien und Frauengeschichten der Männer lauschte, hinter denen sich Wehmut, Bitterkeit und Einsamkeit verbargen, hatte er einen eisigen Wind in seinem Innern gespürt, das nur Mary erwärmen konnte. Und tagsüber war, während er sägte und auflud und auf hohe Bäume kletterte, eine Sehnsucht nach ihr gewachsen, die schlimmer an ihm nagte als jeder Hunger

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