Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Titel: Die Erben von Somerset: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leila Meacham
Vom Netzwerk:
begehren?
    Außerdem hatte sie sein Vertrauen in Frauen tatsächlich erschüttert. Er war bereit, einen großen Teil der Schuld dafür selbst zu übernehmen, aber nicht die ganze. Wieso hatte Mary einen anderen geheiratet, wenn sie sich wirklich so viel aus ihm machte, wie er meinte? Am Ende war ihr Somerset doch wichtiger gewesen. Wie sollte er jemals wieder den Liebesschwüren einer anderen glauben, wenn er Marys Liebe nicht vertrauen konnte?
    Während der Weihnachtstage nahm er, um seiner Mutter einen Gefallen zu tun, Einladungen zu Festen in Houston, Dallas und Fort Worth an, bei denen die Töchter von Ölmagnaten und Viehbaronen in die Gesellschaft eingeführt wurden, und kehrte mit noch weniger Lust auf weibliche Gesellschaft nach Howbutker zurück. Zu Hause war er der einzige Unverheiratete seiner Freunde, und wenn er deren Dinnereinladungen, Picknicks und Partys allein besuchte, kam er mit einem Gefühl der Distanz, der Niedergeschlagenheit und sogar des Neids zurück. Er sehnte sich nach einem Erlebnis, das ihn von seinen Selbstvorwürfen, seiner Verbitterung und seinem Selbsthass befreien würde.
    Und dann, im April, als Mary und Ollie, die erst im September nach Hause kommen wollten, bereits sieben Monate in Europa waren, tauchte an Ostern Lucy Gentry auf.
    »Mir ist nichts anderes übrig geblieben, als sie einzuladen«, erklärte Beatrice beim Frühstück und trommelte hektisch mit den Fingern auf der gestärkten Tischdecke herum. »Ich konnte schlecht nein sagen. Die Kleine hat uns in Briefen
förmlich angefleht, sie in den Osterferien aufzunehmen. Angeblich kann ihr Vater ihr die Fahrt nach Atlanta nicht zahlen, weshalb sie die Einzige aus der Lehrerschaft wäre, die die Ferien auf dem Schulgelände verbringen müsste.«
    Beatrices Mann und Sohn blickten sie über den Rand ihrer Zeitung hinweg an.
    »Oje«, sagte Percy.
    »Schlimm«, pflichtete Jeremy ihm bei.
    »Es ist eine Finte«, zischte Beatrice. »Das sieht doch ein Blinder mit Krückstock.«
    »Wieso?«, erkundigte sich Jeremy.
    »Das weißt du ganz genau, Jeremy Warwick. Die Kleine hat – angespornt von ihrem grässlichen Vater – immer noch ein Auge auf Percy.«
    »Dann soll sie eben schauen«, meinte Jeremy ungerührt. »Oder, Junge?«
    Percy lächelte. »Ich glaube, vor Lucy Gentry muss ich keine Angst haben. Mach dir keine Sorgen, Mutter. Mit der werde ich schon fertig.«
    Beatrice butterte schmallippig ihren Toast. »Der Himmel sei uns gnädig, wenn du dich täuschst«, sagte sie.
    Am Tag von Lucys Ankunft verschlief Percy und kam fast zu spät zum Bahnhof, um sie abzuholen. Tags zuvor war er zu Vertragsverhandlungen mit Vertretern der Southern Pacific Railroad in Houston gewesen und erst nach Mitternacht nach Howbutker zurückgekehrt. Seine Mutter stand mit dem Rücken zu ihm in der Küche, als er nach unten eilte, und besprach mit der Köchin das Osteressen. Er blieb einen Augenblick an der Tür stehen, um sie zu betrachten. Seit wann hatte sie die grauen Strähnen im Haar, fragte er sich, und die leicht gebeugten Schultern? Plötzlich wurde ihm bewusst, dass seine Eltern allmählich älter wurden. Wortlos trat er zu ihr und schlang von hinten die Arme um ihren fülligen Körper.
    »Womit habe ich das denn verdient, Percy?« Als Beatrice sich, erstaunt über seine Umarmung, umdrehte, bemerkte sie etwas in seinem Ausdruck, das sie veranlasste, die Hand sanft auf sein Gesicht zu legen. »Lucy müsste bald da sein«, stellte sie fest.
    Er küsste sie auf die Stirn. »Bin schon unterwegs. Hat Dad angerufen?«
    »Nur, um zu sagen, dass ich dich nicht stören soll. Den heutigen Tag kannst du am Freitag hereinholen. Du musst eine Schiffsladung Holz begutachten, weil dein Vater dem Vorarbeiter einen zusätzlichen freien Tag bei der Familie geben will. So hast du einen Grund, aus dem Haus zu kommen. Dad und ich kümmern uns schon um Lucy. Am Samstagnachmittag begleiten wir sie zur Gartenparty der Kendricks, und am Sonntag reist sie nach dem Essen wieder ab.«
    Der Zug hatte sich bereits geleert, als Percy den Wagen abstellte. Lucy, die mit ihrem Gepäck auf dem Bahnsteig stand, entdeckte ihn sofort, und ein so reines, freudiges Strahlen erhellte ihr Gesicht, dass Percy laut lachen musste. »Da bist du ja, Percy Warwick«, begrüßte sie ihn. »Ich dachte schon, man hätte mich vergessen.«
    »Wie könnte ich?«, fragte er lächelnd. »Du trägst deine Haare anders.«
    »Und mein Rock ist auch kürzer.« Sie drehte sich einmal um die eigene

Weitere Kostenlose Bücher