Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)
von Kindesbeinen an nach Somerset mitgeschleppt. Wahrscheinlich hatte der Junge nie auch nur hinter einer Verkaufstheke des DuMont Department Store gestanden. Sonderlich begeistert schien Matthew nicht über seine Zukunft als Pflanzer zu sein, aber er drückte sich nicht davor und erfüllte diese Pflicht genauso gut gelaunt wie alle anderen.
Hinsichtlich Wyatts Einstellung gegenüber der für ihn geplanten
Zukunft war Percy sich ebenfalls unsicher. Der Junge schuftete bereitwillig und ohne zu klagen, äußerte sich jedoch nie über das Unternehmen, das er einmal mit seinem Vater leiten – und eines Tages von ihm erben – würde.
»Nun?«, ermutigte Percy ihn.
Wyatt wich seinem Blick wie immer aus. »Es geht um Matthew«, sagte er schließlich mit seiner monotonen Stimme.
»Was ist mit Matthew?«
»Ich glaube, er ist ernsthaft krank, Dad. Er hat mir verboten, mit Mister Ollie, Miss Mary oder dem Trainer darüber zu reden. Dass ich dir nichts verrate, habe ich nicht versprochen.«
Für Percy schien die Zeit stillzustehen. »Warum meinst du, dass er ernsthaft krank ist, Sohn?« Das Wort rutschte ihm heraus. Sie kommentierten es beide nicht. »Du kannst es mir ruhig sagen. Ich habe ihn heute in der Kirche husten hören. Wieso hältst du es für etwas Schlimmeres als eine Erkältung?«
»Er hat Fieber. Ich habe ihn überredet, sich die Temperatur von mir messen zu lassen – fast vierzig Grad. Er sieht auch nicht gut aus. Ich mache mir schreckliche Sorgen um ihn.«
»Wo ist Matthew jetzt?«
»Oben in meinem Zimmer. Seine Eltern denken, wir sind draußen auf dem Football-Platz. Matthew hat kaum das Essen durchgestanden.«
Entsetzt fragte Percy: »Sie haben ihn rausgehen lassen? Haben sie denn nicht gemerkt, dass er krank ist?«
»Du kennst Matthew, Dad. Er kann sich zusammenreißen. Er hat Angst, dass er Freitagabend nicht spielen darf, wenn seine Eltern oder der Trainer was merken.«
»Wenn er krank ist, informiere ich seine Eltern, egal, ob Freitag ein wichtiges Spiel stattfindet oder nicht.«
Wyatt nickte. »Ich wusste, dass du das tun würdest; deshalb
bin ich zu dir gekommen. Matthew ist wichtiger als jedes doofe Match.«
Percy hastete, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, zu Wyatts Zimmer hinauf, seinen Sohn im Schlepptau. »Wyatt, du hast mich verpetzt!«, rief Matthew aus, als Percy zu ihm hineinstürzte und er den Blick seines Patenonkels sah.
»Ich hab dir nicht versprochen, meinem Dad nichts zu sagen«, erklärte Wyatt. »Du bist krank, Mann, und brauchst einen Arzt.«
Percy legte eine Hand auf die glühend heiße Stirn des Jungen, der trotz der Decken, die Wyatt über ihn gebreitet hatte, mit den Zähnen klapperte.
»Er hat recht, Matthew«, sagte Percy, der es mit der Angst zu tun bekam. Der Junge war leichenblass, und unter seinen Augen und Fingernägeln befanden sich blaue Schatten. Percy kannte die Symptome von 1918. Damals hatten seine Kameraden vom Militär das Grippevirus mit nach Hause gebracht, das vierhunderttausend Menschen dahinraffen sollte. Bitte, lieber Gott, mach, dass es nicht das ist, was ich befürchte , betete er mit zittrigen Knien.
Doch am Ende stellte es sich als noch schlimmer heraus: Bakterielle Lungenentzündung diagnostizierte der Nachfolger von Doc Tanner, und dagegen konnten die kurz zuvor entdeckten Antibiotika nichts ausrichten. Wie, wo und wann Matthew sich infiziert hatte, wusste niemand. Noch eine Woche zuvor war er ein gesunder, aktiver Teenager gewesen, der seine Mannschaft am Freitagabend zum Sieg führen wollte; jetzt lag er um Atem ringend im Bett und hustete sich die Seele aus dem Leib. Seine grünen Augen ließen bereits den Tod ahnen.
»Doktor, tun Sie doch etwas!«, jammerte Mary leichenblass und umklammerte den Arm des neuen Arztes.
Doch der war sich leider mit den Spezialisten, die er
konsultierte, einig, man könne nur beten und hoffen, dass Matthews körpereigene Abwehrkräfte es schafften, die Erkrankung niederzuringen. Er war jung, gesund und kräftig, und es existierten Berichte über Burschen seines Alters, die die Infektion überlebt hatten.
Im Haus der Tolivers wurde ein Raum eingerichtet, den Percy und Wyatt sich teilten, um stets in Matthews Nähe sein zu können.
»Es würde uns allen sehr viel bedeuten, wenn du mit Wyatt fürs Erste bei uns bleibst, Percy«, sagte Ollie, als klar wurde, dass Matthew sich so bald nicht wieder erholen würde. »Du bist wie ein zweiter Vater für ihn, und Wyatt und er könnten Brüder
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