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Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Titel: Die Erben von Somerset: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leila Meacham
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nicht mehr wie früher. Oft hatte er sich die Frage gestellt, ob Rachels erstes Beet sie nicht unabhängig von dem Besuch seinerzeit sowieso irgendwann zur Houston Avenue und nach Somerset geführt hätte.
    Vielleicht nicht. Die erste Fahrt nach Howbutker zehn Jahre zuvor, um seine Frau und seine neugeborene Tochter Tante und Onkel zu präsentieren, war weiß Gott kein Erfolg gewesen. Sie hatten seine kleine Familie freundlich, aber zurückhaltend empfangen, wie Fremde. William konnte das verstehen. Schließlich war er seit seiner Flucht mit siebzehn, also
zwölf lange Jahre, nicht mehr dort gewesen, in denen es nicht allzu viel Kontakt mit der Houston Avenue gegeben und von denen er elf in Kermit gelebt hatte. Mit einundzwanzig hatte er eine Drugstore-Angestellte geheiratet, die er kennenlernte, als er Medikamente für seine bei einem Unfall auf den Ölfeldern verletzte Hand kaufen wollte, und die Verwandten in Howbutker nur per Telegramm über die Hochzeit informiert.
    William war bewusst, dass er den Kontakt zu Tante Mary und Onkel Ollie aus schlechtem Gewissen über seine Verweigerung des Toliver-Erbes nicht gepflegt hatte.
    »Ich bin vor allen Erwartungen weggelaufen«, erklärte er Alice, »und habe meiner Tante damit sicher sehr wehgetan. Tante Marys und Onkel Ollies Sohn, ihr einziges Kind, ist ein paar Jahre, nachdem ich zu ihnen gekommen war, gestorben, so dass sie niemanden mehr hatte, der die Toliver-Tradition hätte fortführen können.«
    Alice sah das anders. Ihr Beschützerinstinkt, den William an ihr liebte, und die Distanziertheit seiner »überheblichen« Tante ließen in ihr die Überzeugung reifen, dass Mary selbst an seiner Flucht schuld war. Folglich sollte ihrer Ansicht nach sie ihn um Verzeihung bitten. »Aus Ehrgeiz hat sie versucht, dich nach ihrem Bild zu formen. Du bist einfach kein Farmer. Du bist ja nicht einmal ein Toliver – wenn das bedeutet, dass man so ist wie sie.« William hatte diese letzte Bemerkung abgetan. Noch mit sechsundfünfzig Jahren war Tante Mary atemberaubend schön, und ihre Eleganz und ihre majestätische Haltung mussten eine Frau einfach einschüchtern, die nach wie vor eine Betty-Grable-Frisur trug und ihre Augenbrauen zu schmalen Linien zupfte. Außerdem hatte Alice etwas Besitzergreifendes. William kannte die Angst seiner Frau, dass Tante Mary ihn nach Howbutker zurücklocken könnte, indem sie an sein Pflichtbewusstsein appellierte. Die offensichtliche Ähnlichkeit von Rachel und Mary brachte sie aus
der Fassung, denn als er die Kleine mit strahlendem Lächeln aus dem Korb hob, war Onkel Ollies Kommentar gewesen: »Sie ist eine echte Toliver.«
    Alice hatte ihre einjährige Tochter sofort auf den Arm genommen, woraus William schloss, dass ein Leben in der Houston Avenue für sie zu einem ständigen Kampf darum führen würde, was ihr gehörte. Niemand konnte ihr das Gefühl nehmen, hoffnungslos fehl am Platz zu sein, nicht einmal sein gutmütiger Onkel, den sie sofort mochte. Sie tolerierte Amos Hines, der inzwischen fest in Howbutker verwurzelt war, weil er ihren Mann »gerettet« hatte. Percy Warwick mit seinen silberblonden Haaren und der gebräunten Haut, für seine einundsechzig Jahre erstaunlich fit, nahm ihr buchstäblich den Atem. Sie fand ihn attraktiver als jeden Filmstar und hielt seine Frau für verrückt, die einen Mann wie ihn hatte sitzen lassen.
    Am Abend, bevor sie nach Kermit zurückkehren wollten, hatte seine Tante William zu sich in die Gartenlaube gebeten und, als sie auf der Schaukel saßen, in ihrer direkten Art festgestellt: »Deine Frau kann mich nicht leiden. Sie fühlt sich bei uns nicht wohl.«
    William widersprach ihr nicht. »Sie ist vorher noch nie aus West Texas herausgekommen«, sagte er.
    »Wichtig ist nur, dass sie dich liebt, William, und dich glücklich macht.«
    »Ja?« Er sah sie erstaunt an, denn früher hatte sie ihm immer gepredigt, die Loyalität gegenüber dem Namen und dem Erbe der Familie, das die Vorfahren geschaffen hatten, besitze oberste Priorität.
    »Ja«, antwortete sie. »Wenn ich eines inzwischen gelernt habe, dann das, dass manche Dinge zu wertvoll sind, um sie dem Familiennamen zu opfern. Fahr zurück nach Kermit und mach dir keine Gedanken darüber, was du hier zurücklässt.«
    Sie meinte es ehrlich, das spürte er, aber der stoische Tonfall, mit dem sie über ihr Lebenswerk sprach, versetzte ihm einen Stich. »Tante Mary«, fragte er in die Dunkelheit hinein, »was soll denn aus der Plantage werden,

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