Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)
wenn du …«
»Wenn ich tot bin oder zu alt, um sie weiter zu führen? Nun, dann wird sie verkauft. Und du erhältst den Erlös, selbst wenn Ollie mich überleben sollte. Das habe ich bereits in meinem Testament geregelt. Das Haus vermache ich vielleicht der historischen Gesellschaft.«
»Oje …« William betrachtete seine verkrüppelten Finger mit tränennassen Augen. »Es tut mir leid, Tante.«
»Das muss es nicht, William.« Sie legte ihre Hand über die seine. »Somerset hat immer schon zu viel gefordert und einen Fluch über die Tolivers gebracht. Aber das erkläre ich dir jetzt nicht genauer. Sei froh, dass deine Kinder unbelastet durch Somerset aufwachsen werden. Bring Alice und das hübsche kleine Mädchen nach Hause und genieße dein Leben, auch wenn mir nicht klar ist, wie das in einer Sandgrube gehen soll.« William sah ein Lächeln über ihre Lippen huschen.
»Hast du die rote Rose gefunden, die ich an dem Tag, an dem ich ausgerissen bin, auf dein Kissen gelegt habe?«
»Ja, William.«
Als er am Abend hinauf in sein Zimmer ging, entdeckte er eine weiße Rose auf seinem Kissen.
Wenn er jetzt an damals zurückdachte, bekam er ein schlechtes Gewissen. Egal, ob Tante Mary ihm verziehen hatte: Er wurde das Gefühl nicht los, ihr noch etwas zu schulden, weil er weggelaufen war. Vielleicht täuschte Alice sich auch in dieser Hinsicht nicht, und er hatte Rachel 1966 nach Howbutker mitgenommen, um Abbitte zu leisten. Außerdem wusste er, dass Tante Mary, unabhängig davon, was sie in der Laube gesagt hatte, der Versuchung nicht widerstehen könnte, das Land einer Toliver zu übergeben. Ihm persönlich
wäre das durchaus recht, nur leider hatte er Alice von dem Gespräch mit seiner Tante an jenem Abend erzählt und so den Keil zwischen Mutter und Tochter noch tiefer getrieben.
Da klingelte das Telefon, und wenig später kam Alice an die Tür. »Dein Herr und Meister ruft. Ihn würde interessieren, wo du bleibst«, teilte sie ihm mit.
William verzog den Mund. »Und woher weiß er, wo ich bin?«
FÜNFUNDFÜNFZIG
A mos wartete bereits am Howbutker Municipal Airport, als die kleine Cessna Citation mit der Aufschrift »Toliver Farms« um zehn Uhr landete. Er wusste, dass er aussah, als hätte er einige Jahre in einem mexikanischen Gefängnis abgesessen. Sein Gesicht, das schon unter günstigeren Umständen nicht zu den attraktivsten zählte, hatte ihn am Morgen beim Rasieren selbst erschreckt. Kein Wunder: Er war nach einer unruhigen Nacht um drei Uhr früh aufgestanden, um bis zum Morgengrauen von der Terrasse aus den rolligen Straßenkatzen zu lauschen.
Lieber Gott, steh uns bei , begann er zu beten, als die Tür zu dem schlanken kleinen Jet aufging und die Einstiegstreppe ausgeklappt wurde. Wenig später erschien Rachel, entdeckte ihn und winkte ihm zu. Amos hatte das vage Gefühl, diese Szene zu kennen. Wie ähnlich Rachel doch Mary war, als er diese zum ersten Mal am oberen Ende der Treppe in Ollies Kaufhaus gesehen hatte! Natürlich war Rachel bedeutend jünger, aber genauso hübsch und bekümmert wie Mary damals. Amos zwang sich zu einem Lächeln und winkte zurück.
Rachel eilte, die gebräunten Beine in einem weißen Hosenrock, auf ihn zu und schlang die Arme um seinen Hals, sobald sie ihn erreichte. »Lieber Amos«, begrüßte sie ihn mit sanfter, warmer Stimme. »Wie geht es dir?«
»Ähnlich wie dir, nehme ich an«, antwortete er und drückte sie an sich.
»Na, dann werden wir wohl gemeinsam leiden.« Sie hakte
sich bei ihm unter und gab dem Piloten mit einem Zeichen zu verstehen, dass er ihnen mit dem Gepäck zum Wagen, einem dunkelblauen Cadillac, folgen solle. »Wie du siehst, habe ich meine Familie nicht überreden können, mich zu begleiten«, erklärte sie. »Aber sie dürften morgen Mittag hier eintreffen. Meine Mutter auch. Verrat mir, wie’s jetzt weitergeht.«
»Die Trauerfeier findet am Montag um elf statt, die Beisetzung um drei. Im offenen Sarg kann man Mary noch einmal am Samstagmorgen zwischen zehn und zwölf oder nachmittags zwischen fünf und sieben sehen, wenn dir das recht ist.«
»Wunderbar«, sagte Rachel. »Was sonst?«
Er informierte sie, dass er sein Einverständnis für die Vorbereitung der Grabstätte neben der von Ollie gegeben habe, weil Mary nicht eingeäschert werden wollte. Um Sassie und Henry zu entlasten, die schwer unter Marys Verlust litten, habe er den Kirchensaal für den Umtrunk nach der Beerdigung angemietet, damit nicht Hunderte von Menschen ins
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