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Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Titel: Die Erben von Somerset: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leila Meacham
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Percy. Sie hat mich gehasst.«
    Er strich ihr über die Stirn. »Sie war krank, Mary.«
    »Die … rosafarbenen Bänder … Du weißt, was sie bedeuten …«
    »Ja. Das war sehr grausam von ihr.«
    »Mein Gott, Percy. … O Gott …«
    Percy schürte das Feuer im Kamin, holte weitere Decken und breitete sie über Mary. Als Sassie die Milch brachte, half er ihr, Marys Kopf vom Kissen zu heben, um sie ihr einzuflößen. »Versuch zu trinken. Bemüh dich, Mary.«
    »Doc Tanner kommt gleich, Mister Percy. Was soll ich machen, wenn er da ist?«
    »Ihn raufschicken, sobald ich unten in der Eingangshalle mit ihm geredet habe, Sassie.«
    Mary ergriff seine Hand und sah ihn mit großen Augen an. »Was willst du tun? Was geschieht jetzt?«
    Er wischte die Milch weg, die ihr Kinn hinuntertröpfelte. »Keine Sorge. Ich kümmere mich um alles. Die Sache bleibt unter uns und Sassie und Doc Tanner. Niemand sonst – nicht einmal Toby – wird davon erfahren. Miles schicke ich ein Telegramm.«
    »Und was schreibst du ihm?«
    »Dass deine Mutter eines natürlichen Todes gestorben ist. Im Schlaf. Genau das wird Doc Tanner im Totenschein vermerken.«
    Mary sank in die Kissen zurück und wandte den Kopf ab. Percys Widerwillen gegen eine solche Täuschungsaktion war ihm deutlich anzusehen. Er würde Miles anlügen und von Doc Tanner eine Gegenleistung einfordern für die vielen großzügigen Spenden seiner Familie bei zahlreichen medizinischen Projekten, für die sie eigentlich nie ein Dankeschön erwartet hatte. »Danke, Percy«, sagte Mary mit klappernden Zähnen.
    Unter den Decken vergraben, lauschte Mary auf die gedämpften Stimmen und Schritte von Percy, Doc Tanner und Sassie im Zimmer ihrer Mutter. Als die Haushälterin schließlich zu ihr kam, berichtete sie ihr, dass man Darlas Leiche von den Bändern abgeschnitten und in ein Laken eingenäht habe. »Der Bestattungsunternehmer holt sie so ab«, erklärte sie und zog Marys Decken zurecht. »Mister Percy fährt mit ins Bestattungsinstitut und passt auf, dass der Sarg gleich zugenagelt wird. Er sagt allen, die langen Jahre der Krankheit hätten Miss Darlas Körper geschwächt, und ihre Tochter möchte, dass die Welt sie so in Erinnerung behält, wie sie früher war.«
    Percy stand Mary bei der Organisation der Beisetzung und dem Empfang der Trauergäste bei. Er machte ihr keine Vorwürfe, aber die Bedeutung der rosafarbenen Bänder belastete
ihre Beziehung. Sein grimmiges Schweigen drückte für Mary das aus, was sie selbst glaubte: Sie mit ihrer Besessenheit von Somerset war schuld am Selbstmord ihrer Mutter.
    »Was soll ich mit den Streifen und Bändern anfangen, Miss Mary?«, fragte Sassie, sobald Mary wieder aus dem Bett war und mit glasigem Blick durchs Haus wanderte. »Mister Percy meint, es wär das Beste, sie zu verbrennen.«
    »Nein!«, stieß sie heiser hervor. »Die hat meine Mutter gemacht … Bring sie mir.« Nachdem Sassie sie ihr überreicht hatte, rollte Mary die Bänder zusammen, wickelte sie in die cremefarbenen Wollstreifen, umhüllte alles mit Seidenpapier und legte es hinten in ihren Schrank.
    Bei der Beerdigung glaubte sie von den Bewohnern Howbutkers die gleichen stummen Vorwürfe zu spüren wie von Percy, obwohl keiner über die genauen Umstände von Darlas Tod Bescheid wusste. Darla war an gebrochenem Herzen gestorben, der Entscheidung ihres Mannes wegen, die ihre Tochter nicht korrigiert hatte. Sogar Emmitt Waithe schüttelte den Kopf, als hielte auch er diese Tragödie für eine Folge von Vernon Tolivers Testament.
    Einige Tage nach der Beerdigung sagte Mary zu Sassie: »Ich ziehe vorübergehend ins Haus der Ledbetters. Von dort aus lässt sich alles leichter organisieren. Die Gelegenheit könntest du nutzen und deine Tochter besuchen, während Toby hier nach dem Rechten sieht. Da drüben gibt’s ein Telefon. Ich gebe dir die Nummer.«
    »Miss Mary, wie wollen Sie denn dort allein zurechtkommen?«
    »Das schaffe ich schon, Sassie.«
    »Mister Percy und Mister Ollie wird das nicht gefallen.«
    »Ich weiß, Sassie, aber ich bin froh, wenn ich eine Weile Ruhe habe vor ihrer gut gemeinten Fürsorge.« Und vor Percys stummen Vorwürfen , dachte sie.
    Im April war die Bepflanzung der Felder abgeschlossen. Mary hielt die Hand zum Schutz gegen die grelle Frühjahrssonne über die Augen und ließ den Blick über die endlosen Reihen der Baumwollpflanzen wandern. Hinter ihr standen Hoagy Carter, der weiße Aufseher von Fair Acres, und Sam Johnson, einer von

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