Die Erben
hängt bestimmt zusammen“, warf sie ungeduldig ein. „Außerdem spüre ich nur dich so deutlich. Was wahrscheinlich auch damit zusammen hängt, dass wir Geschwister sind. War denn heute etwas anders? Vielleicht lag es auch daran.“
Ich schnaufte. „Ich habe einen Gegenstand bewegt, als ich meinen Körper verlassen hatte“, fasste ich zusammen und schloss vorsichtshalber die Augen. Sicher würde Sarah jeden Moment ein paar Theorien ausspucken, oder mich nach einer sekundengenauen Rekonstruktion fragen.
„Ich dachte mir, dass sowas passiert“, antwortete sie stattdessen. „Die nächste Stufe deiner Fähigkeit ist sicher, einen Astralkörper zu produzieren und physisch greifbar zu werden.“
Ich prustete los. „Einen Astralkörper? Aber den habe ich doch schon, Schwesterchen.“
„Du und Lyn, ihr habt einen Humor, der mich irgendwann noch umbringen wird“, stellte Sarah düster fest. „So nennt sich das eben. Du kannst bisher nur Astralreisen. Mit Übung und Training wird daraus eine Astralprojektion. Und das, was du dann projizierst, ist ein neuer, zweiter Körper; ein Astralkörper.“
„Schon verstanden“, winkte ich ab, noch immer lachend. „Es gibt nichts Schöneres als diese ganzen
Erben
-Weisheiten. Da sind echte Brüller dabei.“
Ich konnte Sarah genervt schnaufen hören. „Hat Lyns Kraft ausgereicht, dass du in deinen Körper zurück konntest?“
„Nein, ich liege noch immer hinter dem Festsaal von Gloucester und du telefonierst mit meinem Astralkörper.“ Ich lachte erneut.
„Simon!“
„Ja, sie hat ausgereicht“, antwortete ich schließlich. „Aber ich war echt fertig danach. So richtig fertig. Deine Trainingsstunden waren ein Spaziergang dagegen.“
Und Gott weiß wie anstrengend die sind
, setzte ich in Gedanken dahinter.
„Überrascht mich nicht“, entgegnete Sarah ungerührt. „Lyns Faulheit in Bezug auf ihre Gabe ist grenzenlos. Hätte ich sie nicht reingelegt, würde sie gar nichts dafür tun.“
„Du hast sie reingelegt?“ Ich runzelte die Stirn. „Wie das?“
„Ist sie wieder da?“, wollte Sarah wissen und ich verneinte. „Ich habe Lyn gesagt, dass wir Erben uns gegenseitig erahnen können. Ihr gegenüber habe ich behauptet, dass ich sie kaum spüren könnte, weil ihre Fähigkeit so katastrophal schwach ist. Was sie nicht weiß ist, dass sie unbewusst ihre übersinnlichen Fähigkeiten schärfen muss, um mich wahr zu nehmen. Sie geht mir seit Tagen erfolgreich aus dem Weg, offenbar ist sie also in der Schule pausenlos damit beschäftigt, ihre Übersinnlichkeit dazu zu verwenden, mich aufzuspüren. Sie ist manchmal erschreckend leicht in die Irre zu führen, weil sie sich absolut keine Gedanken über diese Dinge macht.“
Ich stand vom Bett auf. „Jetzt werd nicht gemein“, warf ich ein und ging zur Tür. „Sie hat es sich ja nicht ausgesucht, ein
Erbe
zu sein. Wenn sie könnte, würde sie sicher sofort darauf verzichten.“
„Haben wir es uns denn ausgesucht?“, hielt Sarah energisch dagegen. „Kannst du dich erinnern, dass jemand an unserer Tür stand und gefragt hat, ob wir gerne Mitglied werden wollen? Glaubst du, Mum hat jemals gefragt, ob sie-“ Sie brach ab und schnaufte durch. „Vergiss es. Wir haben es uns alle nicht ausgesucht, aber es ist unsere Verpflichtung, sorgsam und verantwortlich mit diesen Fähigkeiten umzugehen. Besonders, solange wir nicht wissen, was noch alles passieren wird. Selbst Thor sagt das. Manchmal kann ich nicht glauben, dass er und Lyn die gleichen Gene haben sollen.“
Es war unnötig, weiter darauf einzugehen, deswegen hielt ich einfach den Mund und stieg die Treppe hinunter. Lyn stand im Vorgarten und sah Kafka zu, wie er gelangweilt die Büsche entlang trottete. Hier und da hob er das Bein, dann schnupperte er weiter.
„Was soll‘s“, meinte Sarah. „Ich werde noch weiter an diesem Thomas E. Collins dranbleiben. Wir sehen uns ja dann morgen.“
Bevor ich antworten konnte, hatte sie aufgelegt und Kopf schüttelnd packte ich das Handy wieder in meine Jeans.
„Ist dir nicht kalt?“, fragte ich Lyn. Sie hatte sich zwar ihren Mantel übergestreift, aber der Wind wehte ganz schön kräftig.
„Langsam schon“, gab sie zu und drehte sich zu mir. Ihre Augen waren ganz klein geworden vor Müdigkeit.
Ich deute mit dem Kopf zur Treppe und Lyn pfiff Kafka zu sich.
Kaum hatten wir einen Fuß auf die unterste Stufe gestellt, zischte eine gewaltige Windböe an uns vorbei und schmiss uns beinahe um.
Die Tür
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