Die Erben
scheint es kaum noch fort zu gehen. Zudem kommen diese Träume, die mich oft mitten in der Nacht aufschrecken lassen, nass vor Schweiß und keuchend.
Ich sehe darin die schlimmsten Bilder, die sich ein Mensch nur vorstellen kann. Menschen, die sich in Monster verwandeln und durch die Wälder streifen. Männer mit bunten Gesichtern, die sie jagen. Folterungen von Frauen und Männern, manche von ihnen erkenne ich als Dorfbewohner wieder.
Es ist ein Trost für mich, wenn ich einfach nur davon träume, dass Joshua die Herrschaften besucht und ich ihn so wieder sehen kann.
Selbstredend ist es eine Überraschung, wenn ich so etwas träume und am nächsten Morgen aufgetragen bekomme, zu backen, weil sich Joshua Elvey angekündigt hat. […]
[…]
Der Text wurde durch Punkte unterbrochen. Ich vermutete, es waren die Stellen, die vom Papierzerfall, den Gran erwähnt hatte, nicht mehr lesbar waren.
Unter dem Abschnitt stand eine kurze Anmerkung in gerade gedruckter Schrift.
„Eliza beschreibt eine Erkrankung von John Goodman (Hausherr); Aus den Aufzeichnungen lässt sich nicht erschließen, an welchem Leiden er litt. RG“
Ich blätterte die Seite um und las weiter.
(Vermutlich Winter 1690/91)
[…] Wochen und noch immer keine Besserung. Elijah besucht ihn jeden zweiten Tag, unermüdlich untersucht er ihn und schreibt Tinkturen auf, die er nehmen soll. Anne, seine Schwester, hat ihm sogar Kräutermischungen zusammen gestellt.
Ich mache mir große Sorgen um Mister Goodman.
Er ist ein gütiger Herr. Er gestattet mir ein eigenes Zimmer zum Schlafen und ich habe seine Erlaubnis, das zu essen, was ich für seine Familie koche, sollte etwas übrig bleiben. Maria hat diese Freiheiten nicht. Sie arbeitet bei Mister Franklin und schläft bei seinen Ziegen. Vergangenen Sonntag war es ihr verboten, in die Messe zu gehen, weil sie so sehr nach Ziegenmist roch.
Ich schäme mich für diese Selbstsucht, doch ich habe auch Angst um mich. Der Zustand von Mister Goodman wird immer schlechter und wenn ich daran denke, was mit mir passieren könnte, wenn er… Gott, ich weiß, ich darf daran nicht denken. Verzeih mir.
Wieder endete der Text mit einer Anmerkung von Richard.
„Ohne deutliche Hinweise auf den folgenden Seiten muss ich die Überzeugung anbringen, dass John Goodman genesen ist. Viele der Seiten sind zu stark verfallen, um sie zu lesen, eine Abschrift macht hier keinen Sinn. RG“
(Frühjahr 1691)
[…] Tod. Es war der schlimmste Traum, den ich jemals hatte und es war erschreckend bis ins Mark. Als ich aufwachte, bemerkte ich meine blutigen Hände und wäre um ein Haar gradewegs in Ohnmacht gefallen. Doch dann stellte ich fest, dass es meine Nase war, die blutete.
[…]
[…] quält Susanna mich. Wie kann ein so gütiger Vater nur so eine garstige Tochter haben? Sie macht mir das Leben zur Hölle, wo sie nur kann.
Als ich mit meiner blutigen Nase in die Küche lief, um mich waschen zu können, hat sie geschrien, dass ich keinen Anstand besäße und wohl vergessen hätte, wo mein Platz war. Sie scheuchte mich aus dem Haus zu einem Wassertrog, an dem ich mich waschen sollte.
[…]
Im folgenden Abschnitt wird der Angriff eines Tieres auf Maria beschrieben, die ihren schweren Verletzungen erliegt. Es sind nur einzelne Worte zu entziffern. RG
(Mai 1691)
Wie konnte das sein? […]
Alles sah genauso aus, wie in meinem Traum!
Joshua hatte ihre Hand gehalten und ihr eine Blüte ins Haar gesteckt.
Ich musste mich beinah übergeben, so erschrocken war ich.
Und als sie dann den letzten Atem ausstieß, weinte ich.
Ich weinte so sehr, Joshua hatte Mühe, mich zu beruhigen.
Er gab mir irgendwann sogar einen Schluck Brandwein*.
[*Übersetzt]
Doch es war nicht nur die Trauer um Maria, es war auch die Angst. Die pure Angst vor dem, was mit mir passierte.
Habe ich den Tod über sie gebracht? Habe ich den Tod mit meinem Traum gerufen?
Es zerfrisst mich, nicht zu wissen, was mit mir geschieht.
[…]
Ihr Grab ist hinter dem Wald. Mister Franklin wollte ihr keine Beerdigung zahlen, doch Joshua hat diesen Platz gefunden, wo sie bleiben kann. Er hat sogar Pater Johnson dazu überreden können, ihre Ruhestätte zu segnen.
Es sieht friedlich aus dort, gerade jetzt im Wonnemonat. Die Wiese ist satt vor Blumen. Ich bete, dass sie dort glücklich wird.
(Vermutlich Sommer 1691)
Joshua hat meine Hand gehalten. Nach der Messe gestatteten mir die Herrschaften einen Spaziergang zu und ich traf dabei auf ihn. Er war baden im See
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