Die Erbin
meine Mutter fällt drauf rein. Sie mag Sie wirklich, Jake, und Sie vertraut Ihnen, aber Sistrunk hat ihr eingeredet, dass man bei diesem Fall keinem Weißen trauen darf. Und aus irgendeinem Grund hat er dann Buckley in die Sache mit reingezogen.«
»Wenn die Anwälte aus Memphis den Fall nicht abgeben, werden wir verlieren. Können Sie sich diese Typen vor einer Jury vorstellen?«
»Nein, kann ich nicht, und darum ging es auch bei dem Streit gestern. Meine Momma und ich waren der Meinung, dass wir den Fall gerade in den Sand setzen. Simeon, der sich mit so was natürlich auskennt, behauptete, dass Sistrunk mit dem Fall vor ein Bundesgericht gehen und dort gewinnen wird.«
»Auf keinen Fall, Portia. Der Fall kann gar nicht an einem Bundesgericht verhandelt werden.«
»Der Meinung war ich auch.«
»Wie viel bekommt Sistrunk?«
»Die Hälfte. Und das weiß ich nur, weil es meiner Mutter bei dem Streit rausgerutscht ist. Sie sagte, es sei völlig absurd, dass sie die Hälfte ihres Anteils an Sistrunk abtreten müsse. Worauf mein Dad sagte: ›Die Hälfte von nichts ist nichts.‹«
»Haben sich Ihre Eltern Geld von Sistrunk geliehen?«
»Sie haben keine Hemmungen, Fragen zu stellen, stimmt’s?«
Jake lächelte und zuckte mit den Schultern. »Irgendwann kommt es sowieso raus, das können Sie mir glauben.«
»Ja, es gibt einen Kredit. Ich weiß nicht, um wie viel es geht.«
Jake trank einen Schluck kalten Kaffee, während beide über die nächste Frage nachdachten. »Das ist eine schwerwiegende Angelegenheit, Portia. Es geht um ein Vermögen, und zurzeit ist unsere Seite am Verlieren.«
Sie lächelte. »Ein Vermögen? Als herauskam, dass diese arme Schwarze irgendwo auf dem Land in Mississippi zwanzig Millio nen Dollar erben wird, sind die Anwälte völlig ausgerastet. Einer der Anrufe kam aus Chicago, von einem Anwalt, der uns alles Mögliche versprochen hat. Zu dem Zeitpunkt hatte Sistrunk bereits das Mandat, und er hat ihnen dann eine Abfuhr erteilt, aber sie rufen immer noch an. Weiße Anwälte, schwarze Anwälte, alle haben uns einen besseren Deal angeboten.«
»Sie brauchen sie nicht.«
»Sind Sie sicher?«
»Meine Aufgabe besteht schlicht und einfach darin, das, was Mr. Hubbard in seinem Testament verfügt hat, durchzusetzen. Das Testament wird von seiner Familie angefochten, und ge nau dort sollte der Kampf stattfinden. Bei dem Prozess möchte ich Lettie neben mir am Tisch sitzen haben, zusammen mit Mr. Quince Lundy, dem Nachlassverwalter. Er ist weiß, ich bin weiß, und zwischen uns wird eine hübsche, glückliche Lettie sitzen. Hier geht es um Geld, Portia, aber es geht auch um die Hautfarbe. Wir können keinen Gerichtssaal gebrauchen, der auf der einen Seite schwarz und auf der anderen weiß ist. Ich bringe den Fall vor die Geschworenen und …«
»Und Sie werden gewinnen?«
»Nur ein vollkommen verblödeter Anwalt sagt voraus, wie die Geschworenen entscheiden werden. Aber ich schwöre, dass meine Chancen, den Fall zu gewinnen, erheblich größer sind als die Booker Sistrunks. Außerdem bekomme ich keinen festen Anteil von Letties Erbe.«
»Wie werden Sie bezahlt?«
»Sie haben keine Hemmungen, Fragen zu stellen, stimmt’s?«
»Entschuldigung. Es gibt so vieles, was ich nicht weiß.«
»Ich arbeite für einen festen Stundensatz, und mein Honorar wird aus dem Nachlass bezahlt. Alles in vernünftigem Rahmen und vom Gericht genehmigt.«
Sie nickte, als würde sie so etwas die ganze Zeit hören. Dann hustete sie und sagte: »Mein Mund ist ganz trocken. Hätten Sie einen Softdrink oder etwas in der Art für mich?«
»Natürlich. Kommen Sie mit.« Sie gingen nach unten in die kleine Küche, wo Jake eine Dose Diätlimonade fand. Um sie zu beeindrucken, führte er sie in den Konferenzraum und zeigte ihr, wo Quince Lundy zurzeit arbeitete und sich durch Hubbards Akten wühlte. Lundy war noch nicht da.
»Wie viel von dem Erbe ist Bargeld?«, erkundigte sie sich schüchtern, als könnte die Frage verboten sein. Sie starrte die Kartons mit Akten an, als wären sie mit Geldscheinen gefüllt.
»Der größte Teil davon.«
Portia bewunderte die vielen Regale mit juristischen Fach büchern und Abhandlungen, von denen die meisten seit Jahren nicht benutzt worden waren. »Sie haben eine schöne Kanzlei, Jake.«
»Ich habe sie sozusagen gebraucht übernommen. Sie gehört einem Mann namens Lucien Wilbanks.«
»Ich habe schon von ihm gehört.«
»Das haben die meisten Leute. Setzen Sie sich.«
Sie
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