Die Erbin
auch nicht notwendig war.
Den Vorsitz der Anhörung führte der im Turnus zuständige Richter, der kein rechtes Interesse für seine Aufgabe aufzubrin gen schien. Es gab keinen einzigen Präzedenzfall dafür, dass ein Bundesgericht für eine an einem einzelstaatlichen Gericht angeordnete Festnahme wegen Missachtung des Gerichts zuständig war, jedenfalls nicht im Fünften Gerichtsbezirk. Der Richter erkundigte sich wiederholt nach einer maßgeblichen Gerichtsentscheidung, aus irgendeinem Bundesstaat, aber es gab keine.
Bost wurde gestattet, eine halbe Stunde wie ein Rohrspatz zu schimpfen, aber er sagte so gut wie nichts, was Hand und Fuß hatte. Ohne stichhaltige Begründung behauptete er, Mr. Sistrunk sei Opfer irgendeines obskuren Komplotts, mit dem ihn die Obrigkeit in Ford County aus dem Prozess um das Testament drängen wolle. Was nicht gesagt wurde, war klar: Sistrunk ging davon aus, dass er freigelassen wurde, schlicht und einfach deshalb, weil er schwarz war und sich von einem weißen Richter ungerecht behandelt fühlte.
Der Antrag wurde abgelehnt. Bost ging sofort beim Fünften Gerichtsbezirk in New Orleans in Berufung. Außerdem hatten er und Buckley bereits Berufung gegen die Festnahme wegen Missachtung des Gerichts am Obersten Gerichtshof von Mississippi eingelegt.
Währenddessen spielte Mr. Sistrunk Schach mit seinem neuen Zellengenossen, einem Scheckbetrüger.
Carlas Familie mütterlicherseits kam ursprünglich aus Deutsch land, weshalb sie Deutsch an der Highschool gelernt und vier Jahre an der Ole Miss studiert hatte. In Clanton hatte sie selten Gelegenheit, ihre Fremdsprachenkenntnisse anzu bringen, daher freute sie sich, Portia in ihrem bescheidenen, ge mieteten Haus zu Gast zu haben, obwohl Jake, der es völlig vergessen hatte, ihr erst um siebzehn Uhr von der Einladung erzählt hatte. »Ganz ruhig«, hatte er gesagt. »Portia ist ein nettes Mädchen und wird vielleicht eine entscheidende Rolle bei dem Prozess spielen. Außerdem wurde sie vermutlich noch nie von einem Weißen zum Abendessen in seinem Haus eingeladen.« Während ihres Gesprächs, das anfänglich et was angespannt verlief, wurde ihnen irgendwann klar, dass sie noch nie einen Schwarzen zu sich zum Essen eingeladen hatten.
Ihr Gast kam pünktlich um 18.30 Uhr und brachte eine Flasche Wein mit, eine mit einem Korken. Obwohl Jake betont hatte, der Abend solle »so zwanglos wie möglich« sein, hatte Portia sich umgezogen und trug jetzt ein langes, weites Baum wollkleid. Sie begrüßte Carla auf Deutsch, wechselte aber schnell wieder ins Englische. Dann entschuldigte sie sich für den Wein, einen billigen Roten aus Kalifornien, woraufhin sie sich über die dürftige Auswahl in den Spirituosengeschäften im Ort amüsierten. Jake erklärte, dass sämtliche alkoholischen Getränke in Mississippi vom Bundesstaat selbst eingekauft und dann an Spirituosengeschäfte in Privatbesitz verteilt würden. Das führte zu einer angeregten Diskussion über die absurden Alkoholgesetze in Mississippi, wo man in einigen Städten zwar neunzigprozentigen Rum, aber keine einzige Dose Bier kaufen konnte.
»Wir haben keinen Alkohol im Haus«, meinte Jake mit der Flasche in der Hand.
»Tut mir leid«, erwiderte Portia betreten. »Dann nehme ich die Flasche besser wieder mit.«
»Warum trinken wir den Wein nicht einfach?«, schlug Carla vor. Eine großartige Idee. Während Jake nach einem Korkenzieher suchte, gingen die Frauen an den Herd und sahen sich an, was es zu essen gab. Portia sagte, sie esse lieber, als zu kochen, habe aber in Europa eine Menge über Lebensmittel gelernt. Und dass sie eine Leidenschaft für italienische Weine entwickelt habe, von denen es aber nur selten einmal eine Flasche in Ford County gebe. »Da müssen Sie schon nach Memphis fahren«, rief Jake, der immer noch nach dem Korkenzieher suchte. Carla hatte eine Spaghettisoße mit scharfer Wurst gezaubert, und während die Soße vor sich hinköchelte, fing sie an, ein paar einfache Sätze auf Deutsch zu sagen. Portia antwortete langsam, wiederholte manchmal einen Satz, korrigierte häufig. Als Hanna die fremde Sprache hörte, kam sie aus dem hinteren Teil des Hauses in die Küche. Sie wurde dem Gast vorgestellt, der sie mit ciao begrüßte.
»Was bedeutet ciao? «, wollte Hanna wissen.
»Auf Italienisch bedeutet das unter Freunden Hallo und Auf Wiedersehen und auf Portugiesisch, glaube ich, auch«, erklärte Portia. »Das ist viel einfacher als guten Tag oder bonjour .«
»Ich
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