Die Erbin
Ihre Mutter war tot im Straßengraben gefunden worden, und sie und ihre fünf Geschwister waren im Alter von etwa einem Monat ins Tierheim gekommen.
Hanna hob den Welpen vorsichtig aus dem Karton, nahm ihn auf den Arm, streichelte ihn, drückte ihn an sich, und natürlich fing er sofort an, ihr das Gesicht zu lecken. Sie sah ihre Eltern mit Tränen in den weit aufgerissenen Augen an und brachte kein Wort heraus.
»Der Weihnachtsmann hat sie Sadie getauft, aber wenn du möchtest, kannst du ihr auch einen anderen Namen geben.«
Der Weihnachtsmann vollbrachte wahre Wunderdinge, aber in diesem Moment waren sämtliche anderen Geschenke, die er gebracht hatte, vergessen. »Sadie ist perfekt«, flüsterte Hanna.
Innerhalb einer Stunde hatte Sadie das Kommando übernommen. Ihre drei Menschen folgten ihr auf Schritt und Tritt und sorgten dafür, dass sie alles bekam, was sie haben wollte.
Die Einladung zum Cocktail kam von Willie Traynor und war mit der Hand geschrieben. Achtzehn Uhr, der Tag nach Weihnachten, Hocutt House. Festliche Kleidung, was immer das auch heißen sollte. Carla beharrte darauf, dass es zumindest eine Krawatte bedeutete, und irgendwann gab Jake nach. Zuerst taten sie so, als wollten sie nicht hingehen, aber in Wirklichkeit gab es am Tag nach Weihnachten absolut nichts anderes zu tun. Gute Cocktailpartys waren selten in Clanton, und sie gingen davon aus, dass Willie, der in Memphis aufgewach sen war und aus einem wohlhabenden Elternhaus stammte, wusste, wie man eine schmiss. Am meisten aber lockte das Haus. Seit Jahren bewunderten sie es von der Straße aus, doch sie waren noch nie drin gewesen.
»Gerüchten zufolge will er es verkaufen«, sagte Jake, als sie über die Einladung sprachen. Er hatte seiner Frau nichts von der Unterhaltung mit Harry Rex erzählt, vor allem, weil der Kauf preis – egal, wie hoch er war – weit jenseits ihrer finanziellen Mittel lag.
»Das Gerücht gibt es schon länger«, meinte Carla. Unmittelbar darauf fing sie an, von dem Haus zu träumen.
»Ja, aber Harry Rex sagt, jetzt ist es Willie ernst damit. Er wohnt schließlich nicht dort.«
Sie waren die ersten Gäste, obwohl sie die üblichen zehn Minuten zu spät kamen. Willie war allein. Seine festliche Kleidung bestand aus einer roten Fliege, einem schwarzen Dinnerjackett aus Satin und einem weiteren Kleidungsstück, das entfernte Ähnlichkeit mit einem schottischen Kilt hatte. Er war Anfang vierzig, gut aussehend mit langen Haaren und einem angegrauten Bart und sehr charmant, vor allem zu Carla. Jake musste zugeben, dass er ein bisschen neidisch war. Willie war nur ein paar Jahre älter als er, hatte aber schon eine Million Dollar verdient. Er war nicht verheiratet, für seinen hohen Frauenverschleiß bekannt und machte den Eindruck eines Mannes, der viel in der Welt herumgekommen war.
Willie goss Champagner in schwere Kristallflöten, brachte einen Toast auf Weihnachten aus und meinte nach dem ersten Schluck lächelnd: »Ich möchte Ihnen etwas sagen«, als gehörten sie zur Familie und sollten wichtige Neuigkeiten erfahren.
»Ich habe beschlossen, dieses Haus zu verkaufen«, fuhr er fort. »Ich besitze es jetzt seit sechzehn Jahren, und ich liebe es heiß und innig, aber ich bin einfach nicht oft genug hier. Es braucht richtige Besitzer, Leute, die es schätzen, die es erhalten und so lassen, wie es ist.« Noch ein Schluck, während Jake und Carla in der Luft hingen. »Und ich verkaufe nicht an jeder mann. Es ist kein Makler beteiligt. Ich möchte das Haus nur ungern auf den Markt bringen. Ich möchte nicht, dass in der Stadt darüber geredet wird.«
Als Jake das hörte, konnte er ein Schmunzeln nicht unterdrücken. In der Stadt wurde bereits darüber geredet.
»Okay, okay, in Clanton gibt es keine Geheimnisse, aber es muss ja niemand erfahren, was wir hier besprechen. Ich würde es gern Ihnen verkaufen. Ich habe Ihr Haus gesehen, bevor es abgebrannt ist, und mir hat sehr gefallen, wie Sie es restauriert haben.«
»Gehen Sie mit dem Preis runter, dann sind wir im Geschäft«, meinte Jake.
Willie sah Carla tief in die braunen Augen und sagte: »Dieses Haus ist wie für Sie gemacht.«
»Wie viel?«, fragte Jake. Er drückte den Rücken durch und schwor sich, nicht zusammenzuzucken, wenn er die Zahl hörte.
»Zweihundertfünfzigtausend«, erwiderte Willie, ohne zu zögern. »Ich habe es 1972 für einhunderttausend gekauft und einhunderttausend für die Restaurierung ausgegeben. Das gleiche Haus in der
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