Die Erbin
noch einmal einberufen.
Der Gerichtssaal war in zwei Bereiche rechts und links des Mittelgangs unterteilt, von denen jeder zehn lange Bänke mit etwa zehn Sitzplätzen umfasste. Da der Gerichtssaal überfüllt war, forderte Richter Atlee die Zuschauer auf, die ersten vier Bänke links von ihm zu räumen. Das dauerte ein paar Minuten, während sich die Leute unsicher und verwirrt durch die Reihen drängten und nach einem anderen Platz umsahen. Die meisten stellten sich an die Wände. Dann griff der Richter in den Plastik behälter und holte einen Zettel heraus.
»Mr. Nevin Dark«, verkündete er laut.
Nevins Herz setzte kurz aus, aber er stand auf und meldete sich. »Ja, Euer Ehren.«
»Guten Morgen, Mr. Dark. Würden Sie sich bitte ganz links in die erste Reihe setzen; für den Augenblick werden wir Sie als Geschworener Nummer eins bezeichnen.«
»Selbstverständlich.«
Während Nevin durch den Gang marschierte, fiel ihm auf, dass ihn die Rechtsanwälte fixierten, als hätte er ein Verbrechen begangen. Er setzte sich in die leere erste Reihe, die Anwälte glotzten weiter. Alle, ohne Ausnahme.
Nevin Dark. Weiß, männlich, dreiundfünfzig, Farmer, in erster Ehe verheiratet, zwei erwachsene Kinder, konfessionslos, keine Vereinsmitgliedschaften, kein Hochschulabschluss, keine Vorstrafen. Jake gab ihm eine Sieben. Er und Portia blickten auf ihre Notizen. Harry Rex, der in einer Ecke bei den Geschworenenbänken stand, studierte seine Notizen. Ihr Wunschgeschworener war schwarz, gleich ob weiblich oder männlich und gleich welchen Alters, aber Schwarze waren rar. Am Tisch der gegnerischen Partei verglichen Wade Lanier und Lester Chilcott ihre Rechercheergebnisse. Ihnen wäre eine weiße Frau ab fünf undvierzig am liebsten gewesen, jemand, der im alten Süden mit seiner strengen Rassentrennung aufgewachsen war und für Schwarze nichts übrig hatte. Nevin Dark gefiel ihnen, obwohl sie auch nicht mehr über ihn wussten als Jake.
Nummer zwei war Tracy McMillen, Sekretärin, weiß, einunddreißig. Richter Atlee entfaltete in aller Ruhe die Zettel und studierte die Namen, um sie nur ja richtig auszusprechen. Dann wartete er, bis jeder seinen neuen Platz gefunden hatte. Als die erste Reihe voll war, wechselten sie zur zweiten Reihe, die mit einer gewissen Sherry Benton begann, der ersten Schwarzen, die aufgerufen wurde.
Es dauerte eine Stunde, bis die ersten fünfzig saßen. Als alle ihren Platz gefunden hatten, entließ Richter Atlee die anderen und forderte sie auf, sich bis auf Weiteres bereitzuhalten. Manche gingen, aber die meisten rührten sich nicht von der Stelle und blieben als Zuschauer im Saal.
»Ich unterbreche die Verhandlung für fünfzehn Minuten«, sagte der Richter, schlug mit dem Hammer auf den Tisch, hievte seinen schweren Körper aus dem Stuhl und watschelte mit wehender schwarzer Robe davon. Die Anwälte drängten sich in hektischen Gruppen zusammen, in denen alle auf einmal redeten. Jake, Portia und Harry Rex verschwanden umgehend im Beratungsraum der Geschworenen, der im Augenblick leer war.
»Wir sind erledigt, wisst ihr das?«, fragte Harry Rex, sobald Jake die Tür geschlossen hatte. »Furchtbar, einfach furchtbar.«
»Mach mal halblang.« Jake warf seinen Schreibblock auf den Tisch und knackste mit den Knöcheln.
»Elf von den fünfzig sind schwarz«, wandte Portia ein. »Leider sitzen vier von ihnen in der hintersten Reihe. Wie zu Zeiten der Rassentrennung.«
»Finden Sie das witzig?«, fuhr Harry Rex sie an.
»Eigentlich schon.«
»Schluss jetzt«, sagte Jake. »Über die ersten vierzig werden wir vermutlich nicht hinauskommen.«
»Das fürchte ich auch«, erwiderte Harry Rex. »Und nur zur Information: Ich habe bei der Scheidung von Nummer sieben, achtzehn, einunddreißig, sechsunddreißig und siebenundvierzig die Gegenseite vertreten. Die ahnen noch nicht, dass ich für dich arbeite, und ich weiß selbst nicht, warum ich das tue. Geld bekomme ich jedenfalls keins. Es ist Montagmorgen, in meiner Kanzlei drängen sich in Scheidung lebende Paare, von denen manche bewaffnet sind, und ich hänge im Gerichtssaal herum wie Chuck Rea und verdiene nichts.«
»Kannst du jetzt endlich die Klappe halten?«, knurrte Jake.
»Wenn’s sein muss.«
»Es ist nicht aussichtslos«, meinte Jake. »Die Auswahl ist nicht gut, aber auch nicht völlig hoffnungslos.«
»Ich wette, Lanier und seine Jungs lachen sich ins Fäust chen.«
»Ich verstehe Sie nicht«, sagte Portia. »Warum muss es immer
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