Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)
gegenüber. Das ist einer der Gründe, warum der Alte Graf Lady Nerith so wenig mochte. Doch ich glaube, dass selbst sie heutzutage nicht über ausreichende Stärke verfügen, um Malian vor geplanten Angriffen, wie wir sie erlebt haben, zu schützen. «
» Nichts davon wird Tasarion umstimmen « , sagte Nhairin spitz. » Das muss Euch doch klar sein! «
Asantir nickte. Doch sie sprach Malian an. » Wenn der Sturm weht, muss man entweder dagegen ankämpfen oder vor ihm weglaufen und nach einem sicheren Hafen suchen. Ich glaube, dass Ihr weglaufen müsst. Ihr müsst in den Reichen Haarths untertauchen, wie ein Stein in einer Pfütze. «
» Den Wall verlassen? « , fragte Nhairin, noch bevor Malian antworten konnte. » Die Erbin der Nacht zu Außenstehenden schicken? Ihr müsst verrückt sein, Asantir, oder von diesen Herolden verhext! «
Asantir schüttelte den Kopf. Malian sah von einer zur anderen und war von der unerwarteten Wendung der Ereignisse ein wenig benommen. » Weder verrückt noch verhext « , sagte der Ehrenhauptmann ruhig. » Und schon gar nicht von den Herolden der Gilde. Denkt nach, Nhairin! Wie viel länger können wir darauf hoffen, Angriffe von Mächten des Schwarms wie der Finsterschwinge und dem Sirenenwurm abzuwehren? Bisher haben wir nur durch Ornoriths Glück die Oberhand behalten. Doch es hat sich noch nie ausgezahlt, sich auf die Göttin der zwei Gesichter zu verlassen. « Asantir zuckte mit den Schultern. » Es ist wohl klar, dass Malian ihr Hauptziel ist. Ich glaube, ihre letzte Hoffnung besteht darin, dass wir sie irgendwo hinschicken, wo man sie niemals suchen wird. Ein Ort weit weg vom Wall, wo sie in Sicherheit lernen kann, ihre Kräfte einzusetzen. « Malian hielt den Atem an, als sie den harten Blick sah, mit dem Asantir sich zu Nhairin hinunterbeugte. » Hier geht es um das nackte Überleben. Dagegen darf keine andere Überlegung noch Gewicht haben. «
» Solange Malian die Wahl hat, wo sie hingeht oder bleibt « , warf Haimyr leise ein. Er streckte seine Hand aus und zupfte sanft an ihren Haaren. » Ihr solltet am besten Eure Stimme erheben, meine Liebe, sonst lässt Asantir Euch noch von der Haupttruppe wegbringen. «
Malian nickte. Doch sie sprach eher zu Nhairin als zum Ehrenhauptmann. » Asantir hat recht. Wir haben nicht die Stärke, um diese Angriffe niederzuschlagen. Und ich möchte nicht sterben oder wie eine Kriminelle weggeschickt werden – oder gar als Verräterin gelten, wie meine Mutter damals – und dann den Rest meines Lebens in Gefangenschaft verbringen. Ich glaube, dass der einzige Weg für mich darin besteht, den Wall zu verlassen. «
Nhairins Gesicht verzog sich. » Aber wo willst du hingehen? Wer wird sich mit dir anfreunden und auf dich aufpassen? «
» Wer wird hier auf sie aufpassen? « , fragte Asantir. » Oder in der Burg der See? Kannst du es, Nhairin? «
Das Licht fiel auf die Narbe in Nhairins Gesicht, als sie den Kopf schüttelte. » Ihr wisst, dass ich es nicht kann. Aber Ihr, Asantir … « Ihr Gesicht wurde hart, als sie den Blick des Ehrenhauptmanns auffing. » Sagt mir « , sagte sie mit bitterer Stimme, » wie ist dieser Weg mit Eurer Ehre und Euren abgelegten Eiden vereinbar? Ich erinnere mich an eine Wache vor zwölf Jahren, die dachte, ich hätte allem abgeschworen, als ich solch eine Möglichkeit in Betracht zog! «
Asantir seufzte. » Leute ändern sich, Nhairin. Ich weiß inzwischen, dass Ihr damals im Recht wart und ich im Unrecht. Was meine Eide als Ehrenhauptmann angeht, einer davon lautet, den Erben um jeden Preis zu verteidigen und zu schützen. «
» Und was ist mit dem Grafen und dem Blutschwur? « , flüsterte Nhairin. » Wie passt das damit zusammen, dass man sich Tasarion widersetzt und Malians Flucht unterstützt? «
Diesmal antwortete Korriya. Ihre Gesichtszüge drückten Überzeugung aus. » Es gibt keinen Konflikt mit dem Schwur, Nhairin. Ich habe das Gesetz studiert, seit ich dem Tempelleben beigetreten bin. Die Worte sind eindeutig. Sie sagen, dass kein Priester außerhalb der Grenzen des Tempelviertels leben darf. In den vergangenen fünfhundert Jahren sind wir dazu übergegangen, das Wort Priester mit allen, die die Alten Kräfte haben, gleichzusetzen. Doch die beiden sind nicht das Gleiche. Um ein Priester der Derai zu sein, muss man den siebenfachen Eid ablegen, und das hat Malian nicht getan. « Plötzlich entspannte sie sich, lehnte sich im Sessel zurück, und ihre Stimme wurde weicher. » Um genau zu sein,
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