Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)
Kopf. » Nicht alle Heldengeschichten sind gleich, Malian. «
Sie ging ruhelos auf und ab. Dann blieb sie stehen, runzelte die Stirn und sah den Wandbehang an. » Nein? « , fragte sie und sprach über ihre Schulter hinweg. » Ich dachte, sie wären alle ähnlich. Es ist das wahre Leben, das sich windet und dreht. Die Heldengeschichten sind weniger … kompliziert. «
» Du wirst allmählich weise, Kind. Das wäre ein guter Anfang für eine Heldengeschichte, meinst du nicht? ›Der Graf der Nacht hatte ein weises Kind, und ihr Name war Malian.‹ «
» Halt! « , sagte Malian und schüttelte den Kopf. Ihr entschuldigendes Lächeln war brüchig. Sie drehte sich angespannt um. » Es tut mir leid, Haimyr. Es ist so viel in so kurzer Zeit passiert. Es ist nicht nur dieser letzte Angriff, sondern auch alles andere. Ich kann nicht glauben, dass wir beide erst heute Nachmittag eine Flucht geplant haben. «
» Und jetzt hat Asantir uns das aus der Hand genommen « , beendete Haimyr ruhig den Satz. » Bereitet dir das Sorgen? «
Malian runzelte die Stirn und setzte sich wieder im Schneidersitz auf das Bett. Sie sah ihn an und ließ ihr Kinn auf ihren Händen ruhen. » Ich glaube nicht « , sagte sie langsam, » doch es ist unerwartet. Na ja, ein großer Teil der letzten Woche war unerwartet. « Sie schwieg und lauschte dem Brüllen des Windes. » Wie lange, glaubst du, wird der Sturm noch andauern? « , fragte sie.
Er zuckte mit den Schultern. » Vielleicht zwei oder drei Tage. Doch du wirst über enge Wege durch den Wall reisen müssen, wie wir auch. Und du wirst nicht in der Lage sein, in die Grauen Lande hinüberzugehen, bis er vorbei ist. «
» Nein « , sagte Malian ein wenig hohl. Haimyr streckte seine Hand und legte sie über eine ihrer Hände.
» Du wirst die Grenzmarkierung erreichen, bevor die Herolde gehen, mach dir darum keine Sorgen. Dann werden sie dafür sorgen, dass du sicher den Strom erreichst. «
» Und danach? « , fragte Malian sich. Doch sie sagte nichts, rutschte vom Bett und ging hinüber, um die Karte zu betrachten. Sie drehte die Tischplatte unter ihrer Hand und murmelte leise verschiedene Namen: Ij, Terebanth, das Winterland, Emer, Jhaine und Ishnapur. » Was kommt nach Ishnapur? « , fragte sie Haimyr.
» Die großen Wüsten « , antwortete er in seiner trägen Art, » die See des Sandes, vielleicht sogar das Ende der Welt. Wieso, möchtest du dorthin gehen, meine Malian? «
» Ich würde es gerne einmal selbst sehen « , gab sie zu. » Um etwas mehr zu sein « , fügte sie hinzu, » als nur die Trägerin einer uralten Prophezeiung. «
Die goldenen Augenbrauen hoben sich. » Du musst doch wissen, dass du mehr bist als das – für mich, für Nhairin und Asantir und sogar für deinen Vater. «
» Mein Vater « , sagte Malian kurz angebunden und sah die Tischplatte finster an. » Und Asantir. Auf einer Stufe. Nur zwei Namen, noch zwei Leute. Aber bedenke, wofür sie stehen. Der Graf der Nacht, Anführer des ersten und ältesten Hauses der Derai-Allianz, und Asantir, sein Ehrenhauptmann, eingeschworen, um Graf, Erbe und Burg mit dem Leben zu verteidigen. « Sie blickte zu Haimyr auf. Ihr Ausdruck war absichtlich wütend.
» Ja? « , fragte er milde.
» Der Graf und sein Ehrenhauptmann sollten eins sein, das ist unsere Geschichte. Doch jetzt widersprechen sich ihre Wege, jedenfalls scheint es so. Wie kann der Ehrenhauptmann gegen den ausdrücklichen Befehl des Grafen handeln, selbst wenn es zum Wohle des Erben ist? Das scheint doch mitten durchs Herz unseres Derai-Kodexes zu schneiden. «
» Meinst du? « , fragte Haimyr. » Für mich war es, als ob der Derai-Wall einen Riss von oben nach unten erhalten hätte. «
Malian lächelte gegen ihren Willen und schüttelte dann den Kopf. » Das ist nicht lustig, Haimyr. «
Er betrachtete sie nachdenklich. » Doch was ist gemäß eures Kodexes der Unterschied zwischen dem Aushecken einer Flucht durch den Erben am Nachmittag und der Ausführung derselben durch den Ehrenhauptmann am Abend? « Er zuckte mit den Schultern. » Nach diesen Dingen musst du Asantir fragen. Ich bin weder Derai noch Krieger und sehe die Welt ganz anders. «
» Vielleicht ist dieser andere Standpunkt das, was ich hören möchte « , sagte Malian leise.
Er schnipste mit dem Finger gegen eins der Glöckchen an seinem Ärmel und lächelte schief. » Lass mich dir eine andere Frage stellen. Vertraust du Asantir? «
» Mit meinem Leben « , antwortete Malian ohne
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