Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)
Zögern.
» Warum? « , fragte Haimyr.
Malian runzelte die Stirn. » Sie ist eben einer der Derai, derer ich mir mein ganzes Leben lang sicher sein konnte. Ich weiß nicht einmal, warum. « Sie zögerte und fuhr dann langsam fort: » Sie scheint immer der Wallfels unter den Füßen zu sein. All diese Dinge, die wir über Ehre sagen, wie ›unser Leben für das Haus und die Sache der Derai zu geben‹ … Bei Asantir weiß man, dass sie wahr sind. Aber nicht aufgrund von Dummheit. Asantir denkt über die Dinge nach. «
» Ja « , sagte Haimyr.
Malian lächelte ein dünnes, zögerliches Lächeln. » Ich weiß, was du sagen willst, glaube ich. Wenn Asantir denkt, dass ich gehen sollte, selbst wenn das bedeutet, dass ich gegen den Willen meines Vaters handle, dann sollte ich ihrem Urteil vertrauen. «
» Ich fühle mich verpflichtet, darauf hinzuweisen, dass du diese Dinge sagst, nicht ich. Steht es einem Barden von Ij zu, der Erbin der Nacht Ratschläge zu erteilen? «
» Wenn die Erbin seinen Rat sucht, warum nicht? «
Malian drehte den Kartentisch sanft unter einer Hand und beobachtete die Welt, die sich vor ihren Augen drehte. Haimyr kam und stand hinter ihr und legte eine Hand auf ihre Schulter. Nach einer Weile legte sie ihre schmale Hand auf seine und hielt sie dort fest.
» Es ist eine weite Welt, meine Kleine « , sagte er sanft.
» Ich vertraue auch meinem Vater « , sagte sie. Ihre Stimme war so leise, dass er sich vorbeugen musste, um sie zu hören. » Ich weiß, dass er immer die Gesetze und die Schwüre meines Volkes beachten wird, obwohl es viele Grafen gab, die weniger Skrupel hatten. Er wird also alles tun, was er kann, um die Nacht und die Derai-Allianz zusammenzuhalten. « Ihr kleines Lächeln war reumütig. » Ich nehme an, dass ich ihm vertraue, der Graf der Nacht zu sein – mein Vater ist er aber nur, wenn die anderen Erwägungen es zulassen. « Sie tippte mit ihrem Zeigefinger auf den Tisch; zunächst auf die gewundene Goldader, die den großen Strom Ij darstellte, und dann auf die unendlichen Weiten des Winterlandes. » Er ist als Einziger unseres Volkes jemals in diese beiden Länder gereist und hat etwas über ihre Bräuche gelernt. Doch jetzt wollen die Leute der Nacht Sicherheit. Sie werden kein Vertrauen in einen Grafen haben, der versucht, den Eid umzudrehen, oder das, was sie darunter verstehen, auf den Kopf zu stellen. Das ist der Grund, warum er der Meinung ist, dass er den Eid nicht einmal ein bisschen zu meinen Gunsten beugen kann. «
» Ich sagte bereits, dass du allmählich weise wirst « , murmelte der Barde, » wenn das ein Trost für dich ist. «
» Kein großer « , sagte sie. Haimyr lächelte.
» Nein « , stimmte er zu. » Ich fürchte, es ist einfacher, glücklich zu sein, wenn man nicht weise ist. Das Leben ist so viel einfacher. «
Malian lächelte auch und seufzte dann. » Ich nehme an, dass mein Vater noch keine konkreten Befehle gegeben hat, was mich angeht. Wenn er bisher nur von seinen Absichten gesprochen hat, gibt es keinen Ungehorsam. Nicht im Sinne des Gesetzes jedenfalls. «
Ruhelos ging sie weg und ließ ihre Finger über die Struktur des Wandbehangs wandern. Sie spürte die Myriaden winziger Stiche, aus denen die Szene mit der Jagd und den Hunden bestand. Etwas rührte sich tief drinnen, ein Hauch von Bewusstsein – Störung –, und sie riss die Hand weg. Sie bemerkte, dass die Szene sich wieder verändert hatte und mehr zu ihrer ursprünglichen Form zurückgekehrt war. Obwohl das weiße Reh – oder Einhorn – immer noch halb von den Bäumen verdeckt war und die Gesichter der Jäger verborgen blieben. Malian schauderte und drehte sich auf dem Absatz herum.
» Wo ist Asantir? « , sagte sie, ging zurück zum Feuer und hielt ihre Hände an die Flammen. » Was ist, wenn etwas schiefgeht? Vielleicht sollten wir jetzt aufbrechen, statt zu warten? «
» Sie wird kommen. « Haimyr schlenderte hinüber und setzte sich in Nhairins Armsessel. » Die Zeit vergeht immer langsam, wenn man auf etwas Wichtiges wartet. «
Malian wollte dagegenhalten, dass es schon viel zu lange dauerte und dass bestimmt etwas schiefgegangen war. Doch nach einer Weile nickte sie und ließ sich im Schneidersitz auf den Teppich sinken. Um sich vom Warten abzulenken, fragte sie: » Was genau ist vor zwölf Jahren zwischen Nhairin und Asantir geschehen? Nach dem, was sie sagten, muss es etwas mit meiner Mutter zu tun haben. «
Der Barde schüttelte den Kopf. » Meine Liebe, es
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