Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)
schließlich. In ihrer Stimme hörte er Angst und Hoffnung. Sie löschte das Kegellicht und drückte es ihm in die Hand. » Mögen die Neun dich bewachen, denn der Weg vor dir ist dunkel, und ich bin kein Seher, der deinen Weg lesen kann. «
Kalans Finger schlossen sich um die Lampe. Sein Herz begann zu hämmern, als er begriff, dass sie ihn wirklich wegschickten. Aber warum so geheimnisvoll? Korriya hielt eine Hand hoch und schnitt damit Fragen ab. Dann nickte sie einem der anonymen Gefährten zu, er möge die Tür öffnen. Kalan folgte der verhüllten Gestalt, wandte sich dann um und schaute auf die unbekannten Gefährten zurück. » Lebt wohl, Schwester « , sagte er leise. Korriya neigte ihren Kopf und bedeutete einer anderen Gestalt, sich ihm anzuschließen. Die Tür fiel zu, und einer seiner schweigenden Gefährten verschloss sie.
Die Dachbodentreppe war einfach zu finden und führte hinunter in die Wärme und Dunkelheit des Stalls. Es roch nach Stroh und Leder, und die Pferde in ihren Boxen bewegten sich. » Der Ort ist riesig « , dachte Kalan, und dann fiel ihm ein, dass er unterirdisch war; in den Fels des Walls hineingetrieben. Seine Gefährten hatten die gebogene Wand benutzt, um sie hinabzuführen. Kalan folgte ihnen, obwohl er wunderbar in der Dunkelheit sehen konnte. Als sie unten ankamen, legte sich eine Hand fest auf seine Schulter. Der Druck, den sie ausübte, sagte so deutlich wie Worte: Warte.
Kalan wartete. Bald hörte man das leichte Kratzen von Holz auf Stein. Eine Gestalt löste sich aus der Dunkelheit und bewegte sich durch die Ställe. Zehn Schritte entfernt blieb sie stehen. Kalans Gefährten blieben vollkommen regungslos wie der Stein auf der engen Treppe. Die Schattengestalt begann zu pfeifen, einen kurzen Ausschnitt einer Melodie aus dem Nachtmarsch, dem Lied der Armeen der Nacht. Dennoch warteten seine Gefährten ab. Doch als dasselbe Pfeifen erneut ertönte, pfiff derjenige, der seine Hand auf Kalans Schulter hatte, die nächste Zeile zurück. Das Gesicht des Pfeifers wandte sich ihnen zu. Kalan sah, dass es sich um die Wache Lira handelte, die er aus der Alten Burg kannte. » Das Auge ist vorübergezogen « , sagte sie sehr leise.
» Und jetzt müssen wir einen Vorsprung vor dem Sturm halten « , antwortete der erste von Kalans Gefährten mit tiefer Männerstimme. Lira entspannte sich und lächelte.
» Seid gegrüßt, meine Freunde « , flüsterte sie. » Die anderen sind im unterirdischen Gewölbe. « Sie drehte sich um, und die Gruppe folgte ihr zu einer kleinen Tür, die sich zu einer weiteren engen Treppe hin öffnete. Das war die Tür, erkannte Kalan, die das kratzende Geräusch verursacht hatte. Die Treppe wand sich hinunter in das Gewölbe, wo Getreide und andere Vorräte für so einen großen Stall gelagert wurden. Lira blieb am Fuß der Treppe stehen und pfiff leise. Diesmal den noch berühmteren Refrain von der Militärarie, die unter dem Namen Sturm des Hauses der Nacht bekannt war. Eine Laterne flackerte als Antwort, und dunkle Gestalten tauchten hinter Fässern und Getreidetonnen auf. Kalan stürzte mit einem Freudenschrei vorwärts, als er Malian sah, die neben Asantir erschien. Doch der Ehrenhauptmann hielt ihn zurück.
» Wir haben keine Zeit « , sagte sie. » Du und Malian, ihr müsst sofort aufbrechen, bevor die Nacht noch weiter voranschreitet. Ihr müsst die engen Wege zu den Grauen Landen nehmen und, sobald der Sturm erstirbt, die Grenze überschreiten. Geht Richtung Grenzmarkierung und dann die Straße nach Süden entlang. « Sie drehte sich um, als eine große Frau mit Narbengesicht eine Reihe Pferde herbeiführte. Lira bewegte sich schnell und half. Kalans Gefährten traten ebenfalls vor und nahmen ihre Kapuzen ab. Kalan pfiff leise, als er Garan und Nerys erkannte. Er war erstaunt, dass sie es gewagt hatten, durch das Tempelviertel zu laufen, auch wenn es heimlich war. Doch dann richtete sich seine Aufmerksamkeit auf die Pferde, und er vergaß alles andere.
Es waren fünf Pferde, alle schwarz wie die Nacht und ebenso schön. Sie hatten edel geformte Köpfe, eine tiefe Brust, was Ausdauer signalisierte, und Beine, die für Geschwindigkeit ausgelegt waren. Alle fünf waren für eine lange Reise ausgerüstet, mit einer Reiserolle und Reisetaschen, die hinter die Sättel geschnallt waren. Sie schnaubten und stampften mit den Hufen, während sie warteten. » Aber … das sind Botenpferde! « , rief Kalan.
» Ich weiß « , sagte Malian. Ihre Augen
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