Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)
du sie besser als ich. Es klingt, als wirke sie ein wenig einschüchternd. «
Kalan grinste. » Sie kann sogar sehr einschüchternd wirken, aber sie ist auch ziemlich gerecht, meistens jedenfalls. «
Sie schwiegen, bis Nhairin mit den Wasserschläuchen auf sie zuhumpelte. Sie beugte sich nicht vor, um sie zu füllen, sondern legte den Kopf in den Nacken, betrachtete die letzten Sonnenstrahlen und den schwarzen Fleck, der immer noch am Himmel hing.
» Wir sind den ganzen Tag im Schatten dieses Falkenflügels geritten « , sagte sie. » In Anbetracht der Umstände bezweifle ich, dass das ein Zufall ist. «
Kalans und Malians Blicke flogen in den Himmel, dann sahen sie sich überrascht und besorgt an. » Kyr sagte, dass Falken in diesen Bergen leben « , bemerkte Kalan langsam.
» Aber hätte er sich nicht irgendwann auf Beute stürzen oder zumindest eine andere Richtung einschlagen sollen? « , entgegnete Nhairin. » Er ist die ganze Zeit bei uns geblieben. «
» Mir ist das auch nicht aufgefallen « , fügte sie hinzu, als wolle sie ihr Schweigen rechtfertigen. » Erst gerade, als ich ihn zu solch später Stunde noch immer am Himmel sah, habe ich es bemerkt. «
» Es könnte immer noch ein Zufall sein « , sagte Kalan. » Aber trotzdem … «
» Genau « , stimmte Nhairin zu. » Wem gehört er? « , murmelte sie dann mit einem Blick in den Himmel. » Wem dient er? «
» Warum sollte er jemandem dienen? « , fragte Malian neugierig.
Die Hofmarschallin setzte zu einer Antwort an, unterbrach sich aber. » Ich weiß es nicht « , sagte sie dann, » aber es gibt Macht hier. Ich fühle, dass sie mit diesen Hügeln verbunden ist. « Sie schauderte und wandte ihr Gesicht von ihnen ab. » Sie nagt an mir « , flüsterte sie. » Aber der Falke – ich weiß es nicht. «
Malian machte einen Schritt auf sie zu. » Ist alles in Ordnung, Nhairin? Du siehst so müde aus. «
» Ich bin müde « , sagte die Hofmarschallin immer noch so leise, als spräche sie mit sich selbst. » Und so erschöpft. «
» Wir helfen Euch mit den Wasserschläuchen « , sagte Kalan und griff danach. » Mit Eurem schlimmen Bein solltet Ihr nicht so viel tragen. Wir sollten sowieso alle zurückgehen und etwas essen. «
Nhairin lächelte knapp. Er hatte ihre Aufmerksamkeit erregt. » Ich bin noch nicht erledigt, junger Mann « , sagte sie, ließ ihn aber trotzdem helfen.
Malian beobachtete sie während des Abendessens heimlich. Nhairin wirkte auf sie tatsächlich außergewöhnlich müde und ausgezehrt. Es ist diese Reise, entschied sie, als sie ihre eigene Erschöpfung spürte. Sie zehrt an uns allen.
Als es dunkel wurde, schlichen sich Kyr und Lira wieder davon, um den Weg, den sie gekommen waren, auszukundschaften, während Malian, Kalan und Nhairin am efeuumrankten Eingang ihres kleinen Lagers warteten. Der Wind, der ihnen aus den Grauen Landen gefolgt war, hatte sich gelegt, und die ersten Sterne am Himmel strahlten weiß und klar. Ein verblassender, farbiger Streifen hing am westlichen Horizont, mehr war nicht zu sehen. Die Nacht war über Jaransor gekommen.
» Das also « , dachte Malian, während sie den Himmel betrachtete, » ist die Schönheit der Nacht, von der das Haus der Nacht in der Burg der Winde und in all unseren Festungen entlang des Walls immer spricht. «
Sie sagte nichts. Die Stille dehnte sich aus, bis Kalan sie schließlich brach. In der Dunkelheit klang seine Stimme unsicher. » Stört es Euch sehr « , fragte er Nhairin, » dass Ihr die Hofmarschallin des Grafen seid und keine Kriegerin mehr? «
Nhairin seufzte und streckte ihr Bein aus, so als denke sie über eine Antwort nach. » Eigentlich bin ich auch nicht mehr die Hofmarschallin des Grafen « , sagte sie trocken, » aber nein, das stört mich nicht. Ich war eine mäßig begabte Soldatin, aber ich bin eine gute Hofmarschallin. Um ehrlich zu sein, bin ich nur zur Wache gegangen, weil meine Familie das von mir erwartete. «
» Was mich jedoch stört « , fügte sie mit plötzlicher Intensität hinzu, » ist, dass ich entstellt und verkrüppelt bin, und die Schmerzen, die damit verbunden sind. In Zeiten wie diesen muss man sich fragen, ob ein mäßig begabter Soldat nicht nützlicher wäre als eine Hofmarschallin, auch wenn sie gut ist. «
Malian spürte, wie Kalan neben ihr von einem Fuß auf den anderen trat. » Tut mir leid. Ich hätte wohl nicht fragen sollen. «
» Nein « , sagte Nhairin, » du sollst fragen. Du bist jung und träumst vom Ruhm der
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