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Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)

Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Lowe
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leeren Räumen und den endlosen, widerhallenden Fluren. Die Kälte langer Vernachlässigung betäubte sie, doch sie zwang sich vorwärts. Schließlich erreichte sie die gefliesten Hallen und Holzbalkone der oberen Etagen. Von dort aus war es nur noch eine kurze Reise zur Neuen Burg mit ihrem Licht, ihrer Wärme, ihrem Leben; einem Leben, das jetzt durch Schlaf verstummt war.
    Zu viel Schlaf. Malian spürte die Stille des Todes und roch geronnenes Blut. Sie war sich auch der düsteren Heimtücke ihrer Feinde bewusst, die sich gerade nach der Jagd neu formierten und auf einen neuen Angriff vorbereiteten.
    Das Feuer in ihrem Kopf lenkte ihre Aufmerksamkeit auf die bronzenen Gargylen, die von jeder größeren Tür und jedem Tor der Neuen Burg herunterstarrten. Im Laufe der Jahre waren sie in Vergessenheit geraten und wurden von denjenigen, die täglich an ihnen vorbeigingen, nicht mehr wahrgenommen. Jetzt wirkte ihr anzügliches Grinsen gequält und auf groteske Weise zu einem stummen Schrei verzerrt. Malian richtete ihre Aufmerksamkeit auf einen von Grünspan überzogenen Gargoyle, der über dem Haupteingang der Hohen Halle kauerte.
    » Seid auf der Hut « , flüsterte er ihr zu. » Seid auf der Hut vor Feinden, nehmt euch in Acht vor Schrecken, Vorsicht vor Verrat in der Nacht! « Sie spürte, wie der Gargoyle erzitterte, und hörte das leise Geräusch, als der Schauer durch sie hindurchlief. Doch es geschah nichts weiter.
    » Du musst dich mehr anstrengen, Kind. « Malian spürte das Drängen des Feuers in ihrem Geist ebenso wie seine Angst, die genauso groß war wie ihre. » Sie töten deinen Clan und deine Angehörigen. Flüstere den Alarm nicht – donnere ihn durch die Burg! Es liegt einzig und allein in deiner Hand, Erbin der Nacht! « Die Macht des Feuers pulsierte durch ihre Venen und versengte alle Nervenenden. Dann sprang sie von ihrem Geist auf den Gargoyle über und tauchte ihn in goldene Flammen. Tief in der Alten Burg riss Kalan seinen freien Arm vor die Augen, um sie vor dem Licht, das aus ihr herausbrach, zu schützen.
    » Wacht auf! « , schrie Malian aus Leibeskräften. » Seid auf der Hut vor Feinden! Schützt das Blut! Nehmt euch in Acht vor Zerstörung in der Nacht! Erwachet, Graf der Nacht! Zu den Waffen, Burg der Winde! «
    In der ganzen Neuen Burg erwachten die Garogyle mit aller Macht zum Leben und stießen ihren Waffenruf aus. Das daraus entstehende Getöse wollte kein Ende nehmen. Während Malian wie eine Flamme durch die Finsternis raste, hörte sie Rufe und Klappern von Waffen, Kampfgeschrei und das Getrappel rennender Füße.
    » Erwache, Nhairin! « , befahl sie. » Zu den Waffen, Asantir! Verrat und Blut! Erwachet, Graf der Nacht « , schrie sie erneut, denn sie spürte, wie der Geist ihres Vaters aufflackerte wie eine Schwertklinge, die gezogen wurde. Sie hörte plötzlich Schreie und wie Stahl auf Stahl traf. Da wusste sie, dass die Eindringlinge endlich entdeckt worden waren.
    » Seid auf der Hut vor Feinden! « Malian erschütterte die Burg ein letztes Mal mit ihrem Ruf. Sie fühlte sich jetzt ausgelaugt und bereit, durch die Alte Burg zu ihrem Herzen zurückzukehren, ihrem sicheren Ort.
    Doch irgendetwas nahm Besitz von ihrem Geist und hielt sie fest; eine erdrückende Finsternis, die sich um sie herumlegte. Malian spürte den furchtbaren Hunger eines Wesens, das versuchte, ihre Seele und damit gleichzeitig ihre Kraft auszusaugen. Sie spürte es bis ins Mark und begriff, dass sie die Finsterschwinge vergessen hatte. Sie dachte nicht einmal an sie, als sie sich abwandte. Wäre sie nicht mit loderndem Feuer erfüllt und mit Kalan in der Alten Burg verbunden gewesen, hätte diese sie blitzschnell leergesaugt. Sogar jetzt fühlte sie, wie die schützende Verbindung brüchig wurde. Die Finsternis zerrte so unerbittlich an ihrer Seele wie das bei Ebbe zurückweichende Meer.
    Malian schrie und wehrte sich. Sie kämpfte darum, die Finsternis mit dem Feuer zurückzudrängen und sich gleichzeitig an die Verbindung mit Kalan zu klammern. Sie hörte Kalan ebenfalls schreien, während er seine Kraft in sie hineinfließen ließ, um gegen diese furchtbare, entleerende Macht anzukämpfen. Ihr Widerstand hielt eine Weile. Doch Malian spürte, wie die Befriedigung der Finsterschwinge und ihre Gier langsam die Oberhand über sie gewannen. Entsetzt musste sie feststellen, dass die Kreatur viel, viel stärker war als sie selbst. Sie kämpfte, so gut sie konnte, doch sie war nicht in der Lage, sich zu

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