Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)
als das vornehme Betragen des Stroms bezeichnet. Malian sah, dass die Hand von alten Narben übersät war.
» Das Leben « , sagte Tarathan von Ar, » ist ein Risiko, genau wie der Tod. Man kann beides nicht vermeiden. Jehane Mor und ich sind uns einig in dem Glauben, dass es an der Zeit ist, Risiken, vielleicht sogar große Risiken einzugehen. «
Jetzt lächelte Yorindesarinen. » Es ist sehr lange her « , sagte sie, » dass jemand meine Hand auf diese Weise geküsst hat. Das ist kein Brauch der Derai. Ihr habt allerdings recht, es ist in der Tat Zeit für Risiken, große und kleine. Allerdings ist es möglich, dass Eure Gilde das nicht so deutlich vor Augen sieht wie Ihr und Eure Kameradin. Seht, hier ist Euer Weg. « Sie zeigte darauf. Alle sahen den Weg, der sich silbrig glänzend zwischen den Bäumen durchwand.
Die Heldin kniete nieder und nahm Malians Gesicht zwischen ihre vernarbten Hände. » Ich bin froh, Kind der Nacht, dass ich dich endlich gesehen habe. Ich glaube, wir werden uns wiedersehen. Doch ob das bald oder in ferner Zukunft sein wird, kann ich nicht sagen. « Sie stand auf. Ihre dunklen Augen wurden von Lachfältchen umspielt. » Doch du darfst nicht ohne ein Geschenk gehen; etwas, das dich bei dem, was vor dir liegt, an mich erinnern soll. « Sie löste einen breiten Silberarmreif von ihrem Handgelenk und gab ihn Malian, die ihn in ihren Händen drehte. Der Armreif war glatt, abgesehen von einem Sternmuster, das sich als Spirale um den Armreif wand. » Er wird dir immer passen « , sagte Yorindesarinen, » doch trage ihn zunächst um den Oberarm unter deinem Ärmel, wo er vor neugierigen Augen verborgen ist. Wenn du deine Kraft entwickelt hast, sollst du ihn wie ich um das Handgelenk tragen. Ich habe ihn lange Zeit für dich aufbewahrt, also trage ihn wohl, Kind der Nacht. «
» Das werde ich « , murmelte Malian. » Danke. «
Die Heldin wandte sich an Kalan. » Und du « , sagte sie und lächelte ihn an. » Welches Geschenk soll ich dir geben, mein unerwarteter Freund? «
Das Lächeln wurde noch breiter, als er den Kopf schüttelte. Sie zog einen Ring von ihrem Finger. Er bestand aus drei schwarzen Metallsträngen, die um eine ungleichmäßig geformte schwarze Perle geflochten waren. Sie schloss ihre Hand darum. » Vor langer Zeit hat ein Freund ihn mir gegeben « , sagte sie. »Er hatte ihn von einem seiner Freunde erhalten, so war es über Jahre gegangen. Doch du musst ihn nicht so verstecken wie Malian den Armreif – niemand wird sich daran erinnern. «
Kalan wurde dunkelrot und nickte. Er sah so aus, als ob er etwas sagen wollte, ihm jedoch die Worte fehlten. Malian sank auf ein Knie. » Lebt wohl « , sagte sie. » Auch wenn diese Zusammenkunft sich als Traum erweisen sollte, werde ich sie nie vergessen. «
Yorindesarinen zog sie hoch und küsste sie auf die Stirn. » Der Weg wird immer deutlicher werden, Kind der Nacht, das verspreche ich dir. « Sie umarmte Kalan schnell und kameradschaftlich, bevor er auf die Idee kam, sich niederzuknien oder zu verbeugen. » Leb wohl « , sagte sie. » Ich werde nicht sagen ›bleib bei ihr‹, denn ich glaube, eure Wege gehören auch ohne mein Zutun bereits zusammen. «
Kalan nickte und steckte den Ring an seinen Finger. Tarathan sagte: » Wir müssen gehen. Ich fürchte sonst um die Sicherheit derer, die wir zurückgelassen haben. «
Yorindesarinen nickte. » Alles Gute, meine tapferen Herzen, bis wir uns wiedersehen. Und weicht nicht vom Wege ab! «
» Lebt wohl « , riefen Malian und Kalan gleichzeitig und drehten sich um, als der Nebel dichter wurde. » Die Neun mögen mit Euch sein! « Der Dunst wirbelte immer höher, fing ihre Worte auf und warf sie zurück: » Lebt wohl! Lebt wohl! «
Die Heldin wandte sich um, ging zurück zum Feuer und setzte sich wieder daneben. Sie warf einen Blick hinauf zum Mond, der jetzt sehr tief zwischen den verschlungenen Ästen hing. Dann schien sie sich wieder im Spiel und Flackern der Flammen zu verlieren. Der Nebel am Rande der Lichtung ballte sich zu einer Kugel aus goldenem Licht zusammen und schwebte auf das Feuer zu. Nichts deutete darauf hin, dass sie die Kugel bemerkte. Während der Ball sich bewegte, wurde er immer größer, bis er als kleine Wolke über Yorindesarinen schwebte. Erst dann sah die Heldin auf. » Willkommen, alter Freund « , sagte sie. » Es ist lange her. «
» Sei gegrüßt, Kind der Sterne « , antwortete eine Stimme aus der Wolke. » Ich war besorgt, als ich sah, dass die
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