Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)

hatte drei Jahre « , dachte er müde, » vielleicht sollte ich mich glücklich schätzen. Doch wie wird sie, das Herz meines Herzens, diesen Verlust verkraften? «
    Er sah ihr in die Augen. Das schwache Lächeln war immer noch dort und verweilte in der Tiefe. » Zu müde, um sein Kettenhemd auszuziehen « , sagte sie, » obwohl er es jetzt nicht mehr braucht. Die Wachen in der Burg wurden verdoppelt, und eine kleine Armee lagert vor seiner Tür. «
    » Verspottest du mich, Winterfrau? « , verlangte er zu wissen.
    » Ich? « , sagte sie. » Verspotten? Wer könnte den Grafen der Nacht verspotten, den Anführer des ersten und größten Hauses der Derai-Allianz, auch wenn er entschlossen scheint, in seiner Rüstung zu schlafen? Nein, ruf nicht deine Knappen. Sie schnarchten alle laut, als ich am Vorraum vorbeiging. Ich werde stattdessen dein Knappe sein. «
    » Ihr habt keine Rüstung im Winterland « , stellte er fest. Doch er ließ ihre Hilfe zu. Es war eine Erleichterung, als sie den Brustpanzer abnahm, das Kettenhemd abstreifte, die Bein- und Armschienen entfernte und sie zur Seite legte.
    » Schlaf jetzt « , sagte sie und schob ihn zu dem großen Bett mit seinem schwarzen Baldachin und den Vorhängen, die von goldenen und silbernen Fäden durchzogen waren. Doch trotz seiner Erschöpfung wollte der Schlaf sich nicht einstellen. Schließlich sagte Rowan Birkenmond: » Nun, wenn du nicht schlafen kannst, warum erklärst du mir nicht eins eurer Derai-Geheimnisse? Erzähle mir die Geschichte des Großen Verrats, eures Bürgerkriegs. «
    » Das ist dunkelste Geschichte « , antwortete er langsam. Er lauschte den Windstößen, die über die Dachsimse fegten und an den fest verschlossenen Fensterläden zerrten. Dabei bemerkte er an der zunehmenden Lautstärke, dass ein Sturm drohte. Welcher Zeitpunkt wäre besser gewählt, um die alte, bittere Geschichte zu erzählen, als jetzt, da ein Sturm sich am Wall zusammenbraute und die Finsternis sich überall heranpirschte? » Doch ich werde sie dir erzählen, wie ich sie zuerst hörte. Die Geschichte eines Märchenerzählers und nicht ein wahrhaftiger und präziser Bericht. « Er bewegte sich und zog Rowan Birkenmonds Kopf zu sich, bis er auf seiner Schulter ruhte.
    » So schweigt « , begann er und verwendete die traditionelle Einleitung. » Schweigt und lasst mich von der Finsternis der Derai sprechen.
    Sie entsprang, wie so viele Dinge, scheinbar aus dem Nichts, aus dem Gezänk zweier enger Freunde. Und was für Freunde sie waren, denn der eine war Aikanor, Erbe der Nacht, der andere Tasianaran – Tasian – Erbe der Sterne. Beide waren jung, heldenhaft und gerecht. Sie waren die Blüte der Ritterlichkeit der Derai und wurden innigst geliebt.
    Tasian, Erbe der Sterne, hatte eine Zwillingsschwester. Mächtig war sie und gerecht, eine der größten Priesterinnen der Allianz. Ihr Name war Xeriatherien – Xeria –, doch alle nannten sie den Stern der Derai. Wer weiß schon, wann Aikanor, Erbe der Nacht, Xeria das erste Mal erblickte und sich verliebte? Vielleicht war die Liebe über lange Zeit langsam gewachsen, oder vielleicht keimte sie bei der Drehung ihres dunklen Schopfes auf, vielleicht reichte ein Blick aus ihren Sternenaugen. Er liebte sie. Doch Xeria erwiderte diese Liebe nicht, denn sie war mit ihrem ganzen Wesen ihrer Ausbildung zur Priesterin verbunden, mit den Kräften und Künsten, die den Neun Göttern der Derai heilig waren. Allmählich verfinsterte sich das Licht in Aikanors Herz, als er gewahr wurde, dass seine Liebe nicht erwidert wurde. Stattdessen brannte Zorn anstelle des Lichts.
    Niemand weiß, was wirklich geschah oder wie der Streit entbrannte. Bekannt ist nur, dass Aikanor Tasian und Xeria einlud, in der Burg der Winde seine Gäste zu sein. Zu dieser Zeit war der Graf der Nacht, sein Vater, abwesend, um niedere Burgen zu besuchen. Man vermutet, dass Aikanor versuchte, Xeria mit Gewalt zu nehmen. Die Einzelheiten gingen verloren, doch das Unausweichliche geschah. Waffen wurden gezogen, und die Angelegenheit endete damit, dass Tasian und seine Ehrenwache, die in der Unterzahl waren, getötet wurden. Nur Xeria und ein Page entkamen. Sie flohen in das Tempelviertel und baten die Priester der Nacht um Zuflucht.
    Verflucht ist der Name von Aikanor jetzt in allen Annalen der Derai, denn er brach die heiligen Gesetze der Gastfreundschaft, verletzte die Bande der Freundschaft und verriet die Ehre des Hauses der Nacht. Beklagt den Mord an Tasian, dem Erben