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Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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schämen, altes Weib«, sagte Melchior.
    Der Finger sank herab.
    »Sonst erkennen Sie niemanden, Mutter Oberin?«
    Alexandra starrte die Klosterschwester fassungslos an. Deren Blick streifte Alexandra und zuckte sofort zurück. Die Oberin senkte den Kopf.
    »Nein, sonst erkenne ich niemanden«, flüsterte sie.
    »Sie können gehen, Mutter Oberin.«
    Die alte Klosterfrau glitt wortlos hinaus. Alexandra starrte ihr nach. Dann ruckte sie herum und musterte Pater Silvicola. »Was für ein Spiel spielst du da, du Mistkerl?«
    »Es scheint, dass sich das arme Kind geirrt hat«, sagte Pater Silvicola mit einem Kopfnicken zu der immer noch weinenden Dienstmagd vor der Tür.
    »Ich bring dich um, du verlogenes Stück Scheiße«, sagte Alexandra.
    »Endlich mal ein wahres Wort, Schwesterherz«, sagte Melchior und verstummte, als ihm erneut ein Spieß an die Kehle gedrückt wurde.
    »Selbstverständlich ist das Mädchen, das du ›gerettet‹ hast, dem Teufel verfallen wie alle anderen. Nur Feuer kann verlorene Seelen läutern.«
    Alexandra sagte nichts. In ihr brannte eine stumme weiße Flamme und ließ sie fast ersticken. Als Agnes sprach, hatte sie Mühe zu verstehen, was ihre Mutter meinte.
    »Ein beeindruckender Auftritt, Pater Silvicola. Sie vergessen nur eines: Strengen Sie hier in Würzburg einen neuen Hexenprozess an, wird Fürstbischof Johann Philipp schneller aus Münster wieder zurück sein, als Sie ›Inquisition‹ sagen können, und im Schlepptau wird er Ihren Ordensgeneral haben. Keiner von beiden wird zulassen, dass Sie diesen Wahnsinn wiederbeleben, und Sie werden ihnen kaum Ihre wahren Motive nennen. Dazu stecken den beiden die unselige Verwicklung des Bistums und der Societas Jesu in neunhundert Morde noch zu tief in den Knochen. Sie haben uns erschreckt, aber überzeugt haben Sie uns nicht.«
    Pater Silvicola schenkte Agnes einen langen Blick. »Du hast recht. Tatsächlich suchten sowohl Seine Ehrwürden der Bischof als auch Pater Generalis Carafa nach einer Erklärung dafür, wie so etwas geschehen konnte.« Er lächelte humorlos und schnippte ein weiteres Mal mit den Fingern. »Holt den Zeugen.«
    Andreas öffnete den Mund, aber Karina, die ihr zerzaustes Haar halbwegs wieder in Ordnung gebracht und die Fassung wiedergewonnen hatte, stieß ihn in die Seite. Diesmal verließen zwei der Knechte den Saal. Die Dienstboten vor der Tür wichen respektvoll zur Seite. Alexandra versuchte, die Blicke eines von ihnen einzufangen, aber alle wichen ihr aus. Dieweiße Flamme brannte immer noch in ihr mit einem eisigen Feuer. So haben sie sich gefühlt vor zwanzig Jahren , dachte sie voll aufkeimender Panik. So haben sie sich gefühlt, als man sie aus ihren Häusern zerrte mit vollkommen unverständlichen Anschuldigungen in den Ohren. Und von da an ist der Schrecken immer noch größer geworden .
    Dann nahm sie eine plötzliche Bewegung wahr und fuhr herum, und noch bevor sie ihre Augen fokussiert hatte, wusste sie schon, was geschah, und neues Entsetzen peitschte durch ihren Leib. Die Wachen waren nur noch zu dritt! Melchior …
    Es war nicht Melchior, es war Andreas. Er hatte weder die Schnelligkeit noch die Entschlossenheit seines Vaters geerbt, nur die bullige Figur, doch er hatte bereits einen der Knechte niedergeschlagen und wandte sich mit einem Aufschrei dem nächsten zu. Sein Arm ruderte, um zum nächsten Schlag auszuholen. Der Knecht duckte sich unter dem Schwinger hindurch und kam wieder hoch, die Faust geballt. Er drosch Andreas, den sein eigener Schwung halb um die eigene Achse gedreht hatte, auf das Ohr, und Andreas stolperte nach vorn. Ein Stiefel kam hoch und angelte nach Andreas’ taumelnden Füßen. Der schwere Mann schlug zu Boden. Der Knecht sprang auf ihn zu und hob den Spieß, mit dem stumpfen Ende nach unten. Karina schrie auf. Das stumpfe Ende traf Andreas in die Niere, und er bäumte sich auf und schrie. Der Spieß hob sich zum zweiten Mal …
    … dann war da ein Wirbel aus Bewegung, flatternden Ärmeln, ein Hut flog durch die Luft und verlor seine Federn, der Spieß rutschte über den Boden, und der Knecht lag auf dem Bauch, Melchiors eines Knie im Kreuz, Melchiors linken Arm um den Hals geschlungen und den rechten Arm in den Nacken gedrückt. Melchiors behandschuhte Rechte hatte sich in ein dickes Büschel Haare verkrallt und den Kopf des Mannes daran so weit herumgedreht, dass seine Augenheraustraten und seine Zunge zwischen den Zähnen hervorkam. Melchiors Hut rollte auf der steifen

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