Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman
Erinnerung hochschwamm, ließ sie die Hilflosigkeit von damals spüren und auch die Hoffnungslosigkeit, die sie empfunden hatte. »Ich höre deine mörderischen Gedanken bis hierher«, fuhr Pater Silvicola fort. »Spar sie dir. Ich habe das Haus umstellen lassen. Selbst wenn du hier herauskämest, würdest du spätestens in der Gasse mit einer Klinge im Leib enden.«
»Sie behandeln uns wie Gefangene in unserem eigenen Haus?«, brüllte Andreas los. »Das werden Sie bereuen! Ich habe Verbindungen überallhin!«
Ein Zucken flackerte über Pater Silvicolas Gesicht und ließ so etwas wie ein hasserfülltes Zähnefletschen zurück. »Deine Verbindungen reichen nur so weit, wie der Teufel seine Galle spucken kann«, sagte er heiser. Er musterte Alexandra. »Nun?«
»Keiner von uns wird dir die Teufelsbibel aushändigen«, sagte Alexandra, die beschlossen hatte, dass sie an jeder weiteren Höflichkeit diesem Mann gegenüber ersticken würde. »Was immer du gehört hast oder was du planst, du bist ein Narr.«
»O doch, einer wird. Du wirst, um genau zu sein.«
»Haha. Das ist so witzig, dass ich glatt vergessen habe, wie man lacht.«
Die Brust des Jesuiten hob und senkte sich krampfhaft. »Ich will dir eine Geschichte erzählen«, sagte er. Seiner Stimme war seine Anstrengung anzuhören, sich zu beherrschen. »Ich will euch allen eine Geschichte erzählen. Es ist die Geschichte von einer Seele, die Gott versprochen war, einer Seele, die ihre Reinheit bewahrt hatte, obwohl sie von Sünde umgeben war. War diese allgegenwärtige Sünde daran schuld, dass der Körper erkrankte, in dem sie zu Hause war? Oder hatte Gott der Herr Mitleid mit ihr und wollte sie erlösen aus ihrem Pfuhl? Doch es gibt einen, der sich gegen Gott auflehnt, und er hat seine Diener und Dienerinnen überall. Er schickte eine davon in das Haus, in dem die unschuldige Seele weilte, und mit Zauberei und Magie riss diese die arme Seele vom Weg zu Gottes Thron und in den Rachen des Verderbers.«
Ungläubig starrte Alexandra ihn an. Der Jesuit machte ein paar beschwörende Handbewegungen.
»Bein zu Bein, Blut zu Blut …«, flüsterte er. »Nimm die unteren Teile von Schlangenkraut und Vipernzunge, Bischofwurz und Kletten und stampfe sie im Mörser, mische Öl darunter und streiche es auf … nach Sonnenuntergang ritze die Haut des Patienten, lasse das Blut in rinnendes Wasser laufen, spucke dreimal hinein und sprich: Nimm diese Krankheit und trage sie mit dir fort …«
»Ich habe Lýdie gerettet, aber das hat doch nichts mit …«
»Wir brauchen die Zeugin«, zischte Pater Silvicola zu einem der Gerichtsknechte. Dieser nickte und eilte aus dem Saal.
»Was für eine Zeugin?«, schrie Andreas. »Sind Sie vollkommen verrückt geworden? Wen haben Sie alles in mein Haus geschleppt?«
Pater Silvicola fuhr herum. Seine Augen blitzten. Mit zwei,drei Sätzen war er neben Andreas, packte Karina an den Haaren und zerrte grob daran. Karina schrie auf und sank auf die Knie. »Das ist schönes Haar!«, keuchte der Jesuit voller Hass. »Willst du, dass ich es abscheren lasse und dass wir die Befragung in der Stube im Gericht fortsetzen, der Stube, in der die Steine weinen, weil sie so viel Schmerzgebrüll von denen gehört haben, die zuvor dort befragt worden sind?« Er riss an Karinas Haar. »Willst du das?«
»Du bist ein toter Mann«, sagte Melchior. Er war einen Schritt vorgetreten, aber dann hatten ihn die Spitzen von zwei Spießen aufgehalten. Eine bohrte sich in seine Jacke, die andere in seinen Hals. Am Blatt der letzten rollte ein Blutstropfen langsam herunter und versickerte in der hölzernen Stange.
Pater Silvicola ließ Karinas Haar los und wischte sich die Hand an der Soutane ab. Dann bekreuzigte er sich. Er trat zurück. Karina verbarg das Gesicht in den Händen und begann zu schluchzen. Andreas stierte ihn erschüttert an.
»Du willst mir … du willst uns … Hexerei anhängen?«, brachte Alexandra hervor. »Du willst einen Inquisitionsprozess über uns bringen? Ausgerechnet hier, in Würzburg? Bist du verrückt?«
»Dazu fehlt Ihnen jegliche Legitimation«, krächzte Andreas.
»Falsch«, sagte Pater Silvicola. »Ich habe sogar jedes Recht. Ich bin in den Prozessen hier der advocatus diaboli .«
»Dann müssten Sie eigentlich auf unserer Seite sein«, sagte Andreas mit einem Versuch, das Ganze ins Lächerliche zu ziehen. Melchior verdrehte die Augen.
»Nein, ich bin auf der Seite der Wahrheit. Und die Wahrheit könnte sein, dass
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