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Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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winziger Figuren und hielt am Rand des Platzes an. Von der Hütte stieg eine träge Qualmsäule in die Höhe. Die Entfernung war zu groß, um Einzelheiten zu erkennen, aber Alexandra wusste, was das Panorama im Einzelnen verbarg: das Mädchen auf dem Schinderkarren, die langen, verfilzten Haare geschoren, einen sauberen Kittel am Leib, ohne Frage ebenso erstaunt und entzückt wie verwirrt darüber, zum ersten Mal seit vier Jahren wieder im Freien zu sein. Den Turmwart und seine Frau, die neben dem Karren herschritten und der Kleinen herunterhalfen, weil die Ketten, mit denen es am Karren festgeschlossen war, fast ebenso viel wogen wie sie. Die Richter, die in einigem Abstand zur Holzhütte standen und den heutigen Tag verfluchten; eine schüttere Anzahl von Zuschauern, die einen aus Mitleid vor Ort, die anderen, weil selbst die Verbrennung eines unschuldigen Kindes sie dem eigenen Elend für einige Augenblicke entreißen konnte. Alexandra hatte gehört, dass in allen Heeren während des Krieges Jägerbataillone aufgestellt worden waren, die tatsächlich aus ehemaligen Jägern bestanden und die nicht wie andere Fußsoldaten in Reih und Glied dem Tod entgegenschritten, sondern sich in Verstecken verbargen und über erstaunliche Entfernungen hinweg Offiziere, Kanoniere oder Feldherren des Gegners mit einem gezielten Schuss von der Erde hinwegfegten.Sie wünschte sich, näher an Pilsen zu sein, die Fähigkeiten eines Jägers und eine langläufige Muskete zu besitzen und mit gezielten Schüssen Šimon Plachý, die Richter, die Henkersknechte und die Zuschauer einen nach dem anderen zu erschießen, bis alle flüchteten und das Mädchen gerettet war. Tatsächlich war es auf die Entfernung nicht einmal möglich zu erkennen, ob Šimon überhaupt der Hinrichtung beiwohnte.
    Aus der Gruppe der winzigen Spielzeugfiguren zwischen den Spielzeughäusern löste sich eine kleine weiße Gestalt und bewegte sich auf die qualmende Holzhütte zu. Alexandra wusste, womit man sie überredet hatte, allein dorthin zu gehen. Ist dort meine Mutter?, würde das Kind gefragt haben, und jemand würde gesagt haben: Ja, geh nur, bald wirst du bei ihr sein. Die winzige weiße Gestalt bewegte sich immer schneller und begann zu laufen, rannte über den Markplatz, rannte in die Holzhütte hinein, andere Gestalten stürzten hinzu und verrammelten sie und fachten das Feuer an, und mit der üblichen Verzögerung durch die weite Strecke hörte Alexandra, wie der langsame Trommelschlag schneller wurde und den Rhythmus des Todes schlug, in der Absicht, die grässlichen Schreie aus dem Inneren der Hütte zu übertönen. Zwischen dem letzten langsamen und dem ersten schnellen Trommelschlag glaubte sie, einen Ruf auf dem Wind heranwehen zu hören: »Ich komme, Mama!«
    Sie begann haltlos zu schluchzen, dann beugte sie sich aus dem Sattel und spie das wenige aus, das sie im Magen hatte. Schließlich schnalzte sie mit den Zügeln und floh, noch immer blind vor Tränen.

23.
    Kurz vor Eger wurde der Wagen, in dem die Khlesls saßen, von Soldaten angehalten und genötigt, die Straße freizumachen. Pater Silvicola sprach einen der Offiziere an, und Agnes beugte sich aus dem Fenster, um zu erfahren, was vor sich ging.
    Sie sah immer noch die Pistolenmündung vor sich. Dass Pater Silvicola nicht abgedrückt hatte, war ein Wunder. Ein beunruhigendes Wunder – wenn er einfach nur ihren Tod gewollt hätte, so hätte er diesen nach Melchiors Flucht haben können. Welche Pläne verfolgte er in Wirklichkeit?
    Weiter vorn wurden Kanonen von Gespannen mit vier oder sechs Pferden über die Straße gezerrt. Die Kanonen waren groß und schwer, die Bedienungsmannschaften fluchten, die Pferde wieherten und stemmten sich in die Deichsel. Wäre der Erdboden nicht gefroren gewesen, wären nur die ersten beiden Gespanne vorwärtsgekommen – alle anderen wären im Schlamm versunken. Auch so hinterließ das halbe Dutzend Kanonen einen dunklen, aufgerissenen Streifen in der frostigen Landschaft. Agnes hörte, wie sich ihre Bewacher unterhielten und böse Gesichter in Richtung der Kanonen machten; die ewige Verachtung des Fußsoldaten gegenüber der Artillerie, die sich weit hinter dem Kampfgeschehen in vergleichbarer Sicherheit befindet und von der man auch noch fürchten muss, dass sie ihre Schüsse in die eigenen Reihen setzt, weil schlampig gezielt wird oder weil man die Zielangaben, die weiter vorn mit Wimpeln signalisiert werden, falsch verstanden hat.
    Pater Silvicola und der

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