Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman
Schlüsselbund herum und ließ ihn fallen. Er bückte sich, versuchte sein Glück von Neuem, und der Schlüsselbund klirrte ein zweites Mal auf den Boden. Pater Silvicola schob sich ungeduldig nach vorn und hob ihn auf.
»Welcher ist es?«, schnappte er.
»Der da…«
Nach einer Pause: »Der ist es nicht !«
»Äh … dann der …?«
Pater Silvicola schnaubte und steckte nacheinander jeden Schlüssel ins Schloss. Der Ordensmeister drückte sich an ihm vorbei, als schrecke er vor der Nähe des Jesuiten zurück. Die Soldaten, die hinter ihnen die Treppe heruntergekommen waren und den Fluchtweg blockierten, machten höhnische Bemerkungen. Plötzlich fühlte Agnes eine so eiskalte Berührung an der Hand, dass sie unwillkürlich zurückzuckte. Es war wie der Kontakt mit einer Amphibie; einer Amphibie, die zitterte wie Espenlaub und ihr blitzschnell etwas in die Hand drückte. Ihr Kopf flog herum. Der Ordensmeister stand in ihrer Nähe und schaute mit fliegendem Atem zu Boden.
Endlich sperrte einer der Schlüssel. Pater Silvicola betrat den Raum und verlangte nach einer Fackel. Während er sich in der prospektiven Zelle umsah, spähte Agnes vorsichtig in ihre Handfläche.
Der Ordensmeister hatte ihr ein Amulett hineingedrückt. Es sah aus wie eine Münze, doch auf der Münze war ein Kreuz zu sehen und eine Schlange, die sich darum herum wand. Sie schloss die Faust darum. Der Ordensmeister stand so weit von ihr entfernt, wie er nur konnte. Agnes ahnte, dass sein Mut nicht mehr zulassen würde als diese heimliche Übergabe. Sie sah erneut nach – das Medaillon war noch da. Kurz erinnerte sie sich an ein anderes Medaillon, an das, welches die Schwarzen Mönche damals getragen hatten, die ihr nach dem Leben getrachtet hatten. Das Schmuckstück, das sie jetzt in der Hand hielt, wirkte jedoch beruhigend.
Pater Silvicola schien halbwegs zufrieden zu sein mit seiner Inspektion. Die Soldaten trieben sie hinein. Agnes trat beiseite und versuchte, als Letzte dranzukommen, in der Hoffnung, dass sie doch ein Wort mit dem Ordensmeisterwürde wechseln können, doch zu ihrer Bestürzung sah sie, dass er bereits die Hälfte der Treppe erklommen hatte und regelrecht floh. Sie trat um die Tür herum, um den Abschluss zu machen.
Eine Hand klammerte sich um ihr Handgelenk. Sie fuhr zusammen. Pater Silvicola stand neben ihr. Er machte eine Kopf bewegung, und die Soldaten zogen die Tür zu, ohne dass man sie eingesperrt hätte. Andreas fuhr herum, aber es war zu spät; die Tür fiel ins Schloss. Man hörte ihn von drinnen gegen die Tür hämmern und Flüche ausstoßen.
»Was hat er dir gegeben?«, fragte Pater Silvicola.
Agnes maß ihn mit einem langen Blick und schwieg. Ihr Zorn, dass er es gesehen hatte, obwohl er nicht in ihrer Nähe gestanden hatte, war größer als ihr Erschrecken.
Er packte ihre geschlossene Faust und versuchte sie aufzubiegen. Sie hielt ihm stand. »Du musst mir die Finger brechen, wenn du es sehen willst!«, zischte sie.
»Warum glaubst du, dass ich das nicht tun werde?«
»Weil es dir nicht entspricht.«
Seine Augen verengten sich. Dann ließ er sie los und trat einen Schritt zurück. »Mir nicht«, sagte er. »Das stimmt.« Er winkte dem Anführer der Soldaten. »Ich möchte, dass du ihr die Faust aufschneidest«, sagte er.
Agnes öffnete die Hand und zeigte ihm das Medaillon. Am liebsten hätte sie es ihm ins Gesicht geworfen. Der Soldat zuckte mit den Schultern und steckte sein Messer wieder in den Gürtel.
Pater Silvicola nahm das Schmuckstück und betrachtete es im Schein der Fackel. »Eine Schlange«, murmelte er. »Das Symbol des Teufels. Alles passt zusammen.« Er maß sie mit einem langen Blick, dann warf er das Medaillon in den dunklen Gang, der zu den anderen Lagerräumen führte. Agnes hörte es in der Finsternis davonspringen und über den Boden plinkern.
»Was hast du gegen den Ordensmeister in der Hand?«, fragte sie.
Pater Silvicola schien zuerst nicht antworten zu wollen, doch dann sagte er: »Vor sechzehn Jahren wurde hier eine Frau als Hexe verbrannt. Die Frau war unschuldig. Das Zeugnis eines Mannes brachte sie am Ende auf den Scheiterhaufen, eines Mannes, der bestochen worden war, gegen sie auszusagen. Der ihn bestochen hatte, war damals einer der Richter – der Ordensmeister. Es war ihm viel daran gelegen, dass die Frau starb. Sie war eine Hure, und sie war schwanger. Das Kind war von ihm. Wenn es an die Öffentlichkeit gekommen wäre, wäre es mit seiner Karriere bei den
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