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Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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einem Hort der Bücher zu machen, zu einer gewaltigen Bibliothek, für die das Benediktinerkloster nur die Hülle war. Ora et labora – für die Mönche von Raigern galt eher: Lies und arbeite! Daniel Kavka hatte seine Gemeinschaft durch Böhmen und Mähren gesandt und hatte sie Bestände aus Burgen retten lassen, die belagert wurden, aus Klöstern, die brannten, sogar aus kleinen Gutshöfen und Weilern, wo es nur ein einziges Buch gab, aus dem die Soldaten die meisten Seiten herausgerissen hatten, um sich die Hintern zu putzen, und wo dieses Buch zwischen den Erschlagenen lag, denen es einst gehört hatte – den Bewohnern der Höfe und Weiler. Kardinal Melchior Khlesl war notgedrungen auf diese Aktivitäten aufmerksam geworden. Er hatte damals mehr oder weniger schon im Sterben gelegen, aber er hatte Wenzel dazuüberredet, in den Benediktinerorden einzutreten. Es war an dem Tag gewesen, an dem die Familien Khlesl und Langenfels die Hochzeit von Alexandra Khlesl mit Kryštof Rytíř gefeiert hatten. Wenzel hatte sich in die stille Kapelle des Hauses verkrochen, noch immer betäubt davon, dass er Alexandra nun endgültig verloren hatte, sein Herz entzweigerissen von der Tatsache, dass sie nicht einmal mit ihm gesprochen, sondern ihn einfach vor vollendete Tatsachen gestellt hatte, seine Seele blutend, weil er nach jener einen Nacht gedacht hatte, sie hätten nun endlich zusammengefunden, und nun, keine zwei Monate später, stand sie mit dem Oberbuchhalter der Firma vor dem Altar, Kryštof Rytíř, der kein schlechter Kerl war, aber Alexandra gehörte doch ihm, Wenzel …
    Kardinal Khlesl war auf einmal in der kleinen Kapelle gestanden, gestützt auf zwei Stöcke, sein Körper so fragil wie ein Gebilde aus Spinnweben, aber seine Augen so lebendig wie eh und je.
    Willst du immer noch auf sie warten? , hatte der Kardinal gefragt.
    Ich werde mein ganzes Leben auf sie warten , hatte Wenzel geantwortet.
    Na gut , hatte der Kardinal gesagt. Dann habe ich in der Zwischenzeit etwas für dich zu tun.
    Wenzel blinzelte. Melchior war an eines der Bücher herangetreten, hob es hoch, blies den Staub weg und ließ es wieder auf den Stapel fallen. Es gab ein dumpfes Geräusch.
    »Es werden immer mehr«, sagte Wenzel. »Je mehr Häuser, Klöster und Schlösser verwüstet werden, desto mehr haben wir zu retten. Raigern ist eine Insel in der Barbarei geworden, Melchior, aber zu mehr als zum Sammeln und vor allem zum Beten, dass wir hier nicht auch noch Opfer des Krieges werden, reicht die Zeit nicht.«
    »Du weißt natürlich, warum der alte Kardinal wollte, dass du hier irgendwann das Ruder in der Hand hältst.«
    Meine zweite Aufgabe , dachte Wenzel. Die, von der kaum jemand hier weiß. In den letzten Jahren war die Bürde leicht zu tragen. Wird sie nun plötzlich ein Gewicht bekommen, das mich zerquetscht? Die Freude, Melchior zu sehen, verkümmerte endgültig angesichts der Beklemmung, die sich in Wenzel ausbreitete.
    »Es ging ihm stets darum, dass sie sicher sei – und die Menschheit vor ihr.«
    Melchior schenkte ihm einen Seitenblick. »Und? Ist sie sicher?«
    »Nichts ist sicher in diesen Zeiten. Warum bist du hier?«
    »Wolltest du den Advent hier in Raigern verbringen?«
    »Soll das eine Einladung nach Prag sein?«
    »Mama und Alexandra haben Prag vor drei Tagen verlassen.«
    »Ich glaube, die beiden sind alt genug, um zu wissen, was sie tun«, sagte Wenzel und versuchte zu verbergen, dass sein Körper sich plötzlich angespannt hatte.
    »Mama hat Alexandra dazu überredet, Lýdie zu helfen.«
    »Was ist mit der Kleinen?«
    »Nervenfieber. Karina fürchtet, dass sie sterben wird. Alexandra ist ihre letzte Hoffnung.«
    »Aber … weshalb haben Agnes und Alexandra dann Prag verlassen …?«
    »Karina und die Kleine sind bei der Rückreise aus Münster aufgehalten worden. Sie sind noch gar nicht in Prag eingetroffen.«
    » Karina und die Kleine? Ist Andreas denn vorab zurückgereist?«
    Melchiors Gesicht war demonstrativ unbewegt. »Nein, nein, der ist schon auch mit dabei.«
    Wenzel ließ einige Sekunden verstreichen, doch Melchior schwieg. Cyprians ältestes und jüngstes Kind, Alexandra und Melchior, hatten beide seine Angewohnheit geerbt, bedeutsameDinge eher durch Schweigen als durch Reden zu kommunizieren und einen dabei so lange anzusehen, bis einem die Augen tränten und man sich abwenden musste. Was Cyprian anging, konnte dieser ein Blickduell mit einem steinernen Wasserspeier gewinnen. Andreas hingegen, das mittlere

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