Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman
dem Ausfall des Rittmeisters der Anführer des Kornetts, hatte sich heiser geplärrt auf einem wild im Kreis tanzenden Gaul und hatte keinen vernünftigen Befehl herausgebracht. Man hatte ihn vom Pferd gezerrt und auf den Boden geworfen, direkt neben den Rittmeister, der noch immer am Leben gewesen war, aus dessen grässlicher Wunde Blut herausgespritzt war und dessen weit aufgerissene Augen Erik ins Gesicht gestarrt hatten; er hatte einen Strick um den Hals gefühlt und sich zu befreien versucht, während Fäuste auf ihn eingedroschen hatten, hatte gesehen, wie das andere Ende des Seils am Sattel seineseigenen Pferdes festgemacht worden war, und gewusst, dass man es im nächsten Moment mit einem Stich in die Hinterhand zum Durchgehen bringen würde, seinen ehemaligen Herrn hinter sich herzerrend und ihn gleichzeitig zu Tode schleifend und erdrosselnd … Dann hatte jemand die Prozedur unterbrochen und sich über ihn gebeugt und ihn auf Französisch gefragt, ob er tatsächlich Offizier sei. Ihm war bewusst geworden, dass er in den vergangenen Momenten ebenfalls Französisch geredet hatte und dass sein Unterbewusstsein offenbar eine Lektion eines befreundeten schwedischen Offiziers hervorgeholt hatte. Die Lektion hatte im Wesentlichen daraus bestanden, so laut wie möglich in französischer Sprache zu schreien, wenn man in Gefangenschaft geraten war, weil die adligen kaiserlichen Offiziere auf der Gegenseite meistens ebenfalls Französisch sprachen und dann zumindest den sofortigen Tod verhinderten, weil sie festzustellen versuchten, ob man entweder ein entfernter Verwandter oder ob man seiner eigenen Familie Lösegeld wert war.
Erik erinnerte sich immer noch voller Scham daran, wie die Namen seines Großvaters, seines Vaters und seines Onkels aus ihm hervorgesprudelt waren, bekannte Namen, bedeutende Namen … Namen, deren Trägern es vermutlich peinlich gewesen wäre, hätten sie gehört, wie er sie im Munde führte und dabei um sein Leben flehte. Und nun, nachdem er verschont geblieben war, nachdem er gesehen hatte, wie die Überlebenden unter seinen Männern aufgehängt worden waren und der kaiserliche Offizier dem Rittmeister die erlösende Kugel in den Schädel gejagt hatte, nachdem er tagelang vor Angst schlotternd mit den feindlichen Soldaten mitgestolpert war, bis ihm klar geworden war, dass sein Bezwinger tatsächlich eine Lösegeldforderung ans schwedische Heer gesandt hatte … nachdem all dies und noch mehr geschehen war, das in der Nacht in seinen Träumen widerhallte, empfander es schon beinahe als Routine, Gefangener der Bayern zu sein. Sie waren Dragoner. Ein echter Kavallerist verachtete einen Dragoner, aber zumindest hatte man die Nähe zu Pferden gemeinsam. Erik kannte sogar die Gegend, in die man ihn verschleppt hatte: die Umgebung von Eger. Im Sommer war hier noch das Heer seines Onkels gelegen. Er fragte sich, ob in diesem Landstrich überhaupt noch Menschen lebten, nach allem, was er schwedische und nun bayerische Soldaten hatte tun sehen.
»Was ist geschehen?«, fragte Erik. Der Offizier, dessen Gefangener er war, schritt durch die unordentliche Reihe der Zelte zu einem einzeln stehenden Baum am Rand des Lagers.
»Wir haben was gefangen.« Der Offizier blieb plötzlich stehen. »Ach ja.« Er hob Eriks Rapier hoch und hielt es ihm hin. »Ehrenwort?«
»Ehrenwort«, sagte Erik verwirrt und schnallte sich das Rapier um. Er erwartete halb, dass man die Klinge abgebrochen hätte und nur noch der Korb in der Scheide steckte, aber es war unversehrt.
»Ein Offizier tritt nicht ohne seine Waffe auf«, sagte der Dragoneroffizier. »Nachher kriege ich’s wieder zurück, damit das klar ist.«
»Ich habe mein Ehrenwort gegeben«, erklärte Erik steif.
Zu seiner Überraschung standen bei dem einzelnen Baum ein paar der bayerischen Dragoner um eine kleine Gruppe Zivilisten herum; zwei Frauen und zwei Männer. Einer der Männer kniete auf dem Boden und flehte mit hoch erhobenen Händen um Gnade. Eriks Gesicht zuckte, als ihm klar wurde, dass der Mann Schwedisch sprach. Der Dragoneroffizier deutete auf ihn.
»Wir wollten kurzen Prozess mit ihm machen, aber er erwies sich als so wortreich, dass ich beschloss, Sie zu holen, um rauszufinden, was er zu sagen hat.«
»Das ist kein Schwede«, sagte Erik. »Er spricht meine Sprache, aber er hat einen Akzent, dass sich einem die Haare aufstellen.«
»Ein Trottel«, erklärte der Dragoneroffizier, dessen Französisch einen Akzent hatte, dass Erik manchmal
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