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Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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schlafen, hatten sie wortlos ein großes Grab ausgehoben, obwohl es bei dem halb gefrorenen Boden eine Sklavenarbeit gewesen war. Es gab Anblicke, die gehörten unter die Erde, weil sie den Himmel beleidigten.
    Melchior kroch in gebückter Haltung an der Straße entlang, die vom Galgen in nordöstlicher Richtung hügelabwärts führte. Der Galgen stand an einer Wegkreuzung. Der andere Arm der Straße führte in südöstlicher Richtung weiter. Die Spuren, die beide Straßenarme aufwühlten, waren halbwegs frisch, nicht älter als von gestern. Melchior richtete sich plötzlich auf, starrte auf etwas in seiner Hand und rannte dann zu Wenzel zurück. Er war außer Atem.
    »Ich wusste es!«, sagte er und blickte grimmig zu Wenzel nach oben, der auf dem Podest des Galgens stand. »Ich wusste es!«
    Melchior hielt einen kleinen Ring in die Höhe.
    »Wem hat er gehört? Lýdie?«
    »Karina! Ich sagte doch, ich bin mir sicher, dass die Wagenspuren von der Kutsche stammen, mit der wir aus Würzburg abgereist sind.« Er musterte den Ring in seiner Handfläche. »Karina hat ihn sich abgezogen und fallen lassen als Hinweis, in welche Richtung man sie gebracht hat. Das siehst du doch auch so, oder?«
    »Melchior – wenn man ihr etwas angetan hätte, dann hätten wir nicht nur den Ring neben der Straße gefunden, sondern sie selbst.« Über Melchiors Gesicht lief ein Zucken. »Tut mir leid, wenn sich das drastisch anhört; aber denk daran, was wir gestern in jenem Gehöft gefunden haben. Sie sind alle wohlauf. Karina hat nur versucht, ein Zeichen zu geben. Wenn deine Mutter das Äskulap-Medaillon bekommen hat, dann wissen sie alle, dass du in der Nähe bist.«
    Melchior zog sich den Handschuh von der Linken mit den Zähnen ab und versuchte, sich den Ring anzustecken. Er passte stramm auf den kleinen Finger. Wenzel beobachtete ihn schweigend. Es kann gar nicht so viele Probleme geben , dachte er, als dass wir nicht noch eines hinzufügen möchten, wenn es um Dinge unseres Herzens geht . Beinahe wollte er sagen: »Sie ist die Frau deines Bruders!«, aber er hielt den Mund.
    »Warum hat sie das getan?«, fragte Melchior. »Das ist doch für keinen von uns eine unbekannte Gegend hier. Es ist völlig klar, dass die Straße nach Nordost nach Prag führt! Welchen anderen Weg hätten sie denn nehmen können?«
    »Komm mal zu mir nach oben«, sagte Wenzel und streckte die Hand aus. Melchior ergriff sie und schwang sich neben Wenzel auf das Podest. »Du kannst es nur von hier erkennen. Das dort sind die Spuren des Wagens und einer Gruppe von Fußsoldaten, die von Westen kommen. Hier, direkt unterhalb des Galgens, ist alles zerwühlt – Pferde, Stiefel, Räder. Die Wagenspuren nach Nordosten laufen auf einer Fährte, die ebenfalls von Reitern stammt, und so wie der Dreck und die gefrorene Erde weggeflogen sind, von Reitern, die schnell von Nordosten aus hier angekommen sind. Sie sind aber nicht wieder nach Nordosten zurückgeritten. Und jetzt sieh dir das an, die andere Straße, die nach Südosten führt. Dort, eine ganze Strecke hügelabwärts, fächern die Pferdespuren aus und bleiben dann neben der Straße, als hätten die Reiter etwas eskortiert. Und was siehst du auf der Straße, die jetzt nicht mehr von Pferdehufen umgewühlt ist?«
    »Wagenspuren«, sagte Melchior. Seine Blicke huschten hin und her. »Die Achsenbreite, die schmalen Räder … verdammt, das ist die Spur, der wir die ganze Zeit gefolgt sind. Der Wagen aus Würzburg! Aber was ist dann …«
    »Das ist ein anderer Wagen, der nach Prag gefahren ist. Zurück gefahren! Von hier oben kannst du noch erkennen, wo er gewendet hat.«
    »Und wen hat er transportiert?« Melchior hob unwillkürlich die Linke und musterte den Ring an seinem kleinen Finger.
    »Andreas, Karina und Lýdie.«
    »Wieso ausgerechnet … und warum sollte der Jesuit sie getrennt haben? Was ist mit Mama …?« Er verstummte. Seine Augen wurden schmal, als er sich zu Wenzel umwandte.»Was immer Andreas über die Teufelsbibel weiß, Mama weiß auf jeden Fall mehr. Sie ist Silvicolas wichtigste Geisel. Wohingegen Andreas …« Er ballte die Hände zu Fäusten. »… wohingegen Andreas Mitglied des Altstädter Magistrats ist, und wen würde ich als General, der eine Stadt belagert, lieber in meiner Gewalt haben als jemanden aus ebendieser Stadt, der mir sagen kann, wo die Schwachpunkte in der Verteidigung sind …? Verflucht!«
    »Und machen wir uns nichts vor«, sagte Wenzel leise. »Andreas wird reden. Er wird

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