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Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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hässliches Gesicht war in einem ewigen, stummen Schrei verzerrt. Nadelspitze Zähne waren im aufgerissenen Mund zu sehen. Der vertrocknete Körper einer Mumie endete in einem langen, stachelbewehrten Fischschwanz. Samuel schloss die Blende seiner Laterne.
    »Eine Meerjungfrau«, sagte er. »Eine mumifizierte Meerjungfrau, die da unten auf einem Tisch liegt. Zum Teufel mit diesem Horrorkabinett!«
    »Das ist eine Fälschung«, sagte Ebba und konnte nicht anders, als an die Porträts der Entstellten weiter vorne zu denken.
    Samuel schien ihr nicht wirklich zugehört zu haben. »Hauptsache, dass sie tot ist.«
    »Samuel – es ist eine Fälschung! Ich habe solche Dinge schon anderswo gesehen. Wenn du das Machwerk da unten genau untersuchen würdest, könntest du feststellen, auswelchen Teilen es zusammengesetzt ist – der Schwanz eines Thunfischs, der rasierte Körper eines Affen, das Gebiss einer toten Katze …«
    Samuel blickte verdrossen in die Dunkelheit hinunter. Trotz der Situation empfand Ebba unvermittelt Amüsement. Sie hatte noch keine einzige Schwäche an Rittmeister Samuel Brahe entdeckt – bis jetzt. Und ausgerechnet hier, in diesem Hort aus Fälschung und betrogenen Hoffnungen, stellte sich heraus, dass Samuel Brahe … an die Existenz von Meerjungfrauen glaubte!?
    Im nächsten Augenblick bestätigte er ihren Verdacht. »Ich hab mal eine gesehen … als ich als Junge mit dem Boot unterwegs war. Sie schwamm ganz nahe vorbei …«
    Bevor Ebba es verhindern konnte, sagte sie: »Oder war es Grendels Mutter?«
    Er blickte sie mit versteinerter Miene an.
    »Es gibt keine Meerjungfrauen«, seufzte sie. »Aber es gibt Jungen mit viel Fantasie, die zu aufrechten Männern heranwachsen.« Samuel antwortete ihr nicht, und nach einem Augenblick fuhr sie fort: »Wenigstens haben wir gesehen, dass wir die richtige Taktik haben. Ich steige hinunter, und du gibst mir weiter Rückendeckung.«
    Samuel leuchtete mit seiner Laterne die enge Leiter an, die in den Raum unterhalb der Wunderkammer führte. Ebba folgte den Sprossen, klappte ihre eigene Blende auf und sah sich um. Die Fratze der gefälschten Meerjungfrau glitt ins Licht und wieder aus ihm hinaus, dann tauchten Destillationsapparate auf, Kolben aus Glas und Röhren aus Kupfer, Spiralen, Brennschalen, Phiolen, Messbecher, unordentlich auf Tische gehäuft, das meiste zerbrochen oder verbogen, als hätte hier einmal ein Kampf stattgefunden, und danach wäre nur hastig aufgeräumt worden. Sie drehte sich einmal um sich selbst und starrte dann erneut in die eingetrockneten Augen der Meerjungfrau. Eine dicke Staubschichtbedeckte das künstliche Monstrum, bedeckte alles hier.
    Weiter hinten im Dunkel stand etwas wie eine Gebetskanzel. Eine flache Truhe lag darauf. Sie trat einen Schritt näher und erkannte, dass die Truhe in Wahrheit ein Buch war, das geschlossen auf der Kanzel lag, und die Dimensionen veränderten sich. Der Atem stockte ihr. Das Buch war gigantisch. Der Einband schimmerte geisterhaft matt, metallene Zwingen und Eckenornamente glommen darauf wie die Schatten von Tatzen. Eine Gänsehaut lief ihr über den Körper, als sie plötzlich wieder die haarigen Pfoten auf ihrem Körper zu fühlen glaubte. Sie war am Ziel. Das monströse Buch war die Teufelsbibel.
    Sie hatte sich keine Vorstellung gemacht, wie der Codex aussehen würde, doch sicher nicht so, wie er da oben lag, so mächtig, dass sie ihn allein nicht einmal würde anheben können, geschweige denn herunterbringen – aber sie hatte keinerlei Zweifel, dass das Vermächtnis des Satans vor ihr lag.
    Kristina , dachte sie, für einen Augenblick voller Triumph. Kristina! Ich habe sie gefunden … und der Triumph wurde Asche in ihrem Herzen, als wie ein Blitz die Vorstellung in ihrem Kopf aufleuchtete, dass Kristina sie bei ihrer Rückkehr in den Arm nehmen und küssen würde … und wie diese Vorstellung solchen Ekel in ihr erzeugte, dass ihr der Schweiß ausbrach.
    Eine Stimme, wie sie sich so klar noch nie hatte vernehmen lassen, fragte in ihrem Kopf: Willst du das wirklich deiner Königin zum Geschenk machen!?
    Sie wandte sich um, um Samuel zu rufen, da klappte die Blende einer Laterne direkt vor ihr auf, der Lichtschein fiel in ihre Augen und machte sie blind, und jemand sagte: »Ich hatte Besuch erwartet, aber nicht diesen.«

6.
    Ebba wich zurück. Ihre Gedanken waren ein einziger Wirbel. Sie wusste nicht, ob sie Entsetzen, Wut oder Erleichterung darüber verspürte, dass sie kurz vor dem Ziel

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