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Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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Tod entgegengingen, und er wollte nichts so sehr, als diesen Tod vermeiden und seine Familie retten und Karina festhalten und das Lachen seiner Tochter hören, und was immer vielleicht oder doch nicht zwischen Melchior und Karina gewesen war, war völlig bedeutungslos angesichts der Tatsache, dass sie möglicherweise nie mehr ein Wort miteinander würden wechseln können und sie alle bis zum Morgengrauen einen schrecklichen Todgestorben wären (oder wünschten, tot zu sein …). Stöhnend drehte er sich nochmals um und erhielt wieder einen Stoß. Wenigstens hatte er einen Blick Karinas einfangen können. Er war so hoffnungslos gewesen, wie er selbst sich fühlte. Lýdie schluchzte, und er begann selbst zu weinen um ihretwillen.
    Das Lager Königsmarcks war so weit von Prag entfernt, dass man nicht von einer Belagerung sprechen konnte. Es sah klein und erbärmlich aus. Andreas hatte ein Heer erwartet, dessen Zelte und Schanzen die Fläche einer Stadt bedecken würden, stattdessen sah es aus wie die Vorhut einer Armee … Doch dann schaffte es ein klarer Gedanke durch das Entsetzen, das ihn einhüllte: Es war die Vorhut einer Armee! Nur deshalb hatte Königsmarck so schnell marschieren können. Pater Silvicola hatte gemeint, sie würden das Heer einholen, aber tatsächlich war das Heer vor ihnen vor den Mauern Prags angekommen. Und jetzt wartete Königsmarck … wartete auf Verstärkung, um die Stadt belagern zu können. Andreas erinnerte sich, dass die Rede von einem schwedischen General namens Wittenberg gewesen war, bevor sie in Würzburg Station gemacht hatten und alles außer Lýdies Leben unwichtig geworden war. Wittenberg, der ein Heer von dreioder viertausend Mann befehligte und irgendwo im Reich umherzog. Wenn beide Generäle ihre Truppen vereinten, würde ihr gemeinsames Heer mindestens sechs-, siebentausend Mann umfassen.
    Prag hatte nicht die Hälfte davon zur Verteidigung aufzuweisen, und da waren die Kompanien der Zünfte, der Adelshaushalte und die Studentenlegion schon mitgezählt. Plötzlich fühlte Andreas einen winzigen Hoffnungsschimmer. Der General würde ihn als Geisel und als Unterhändler benutzen, daran bestand kein Zweifel. Wenn er aber die Stadt nicht angriff, sondern auf die Vereinigung mit Wittenberg wartete, dann würden Andreas’ Dienste nicht sofort benötigt, unddas hieß wiederum, dass sie alle drei vorerst sicher waren. Bestimmt würde niemand wagen, Karina und Lýdie ein Leid anzutun, solange er, Andreas, die von ihm erwarteten Dienste nicht erfüllt hatte. Man würde ihn ja bei Laune halten wollen …
    Sie wurden die breite Gasse entlanggetrieben, die durch die Zeltreihen führte. Immer mehr Soldaten liefen zusammen und gafften. Die Tiere machten einen Heidenlärm, übertönt von den Pfiffen der Treiber. Unter den Zuschauern brach erster Beifall aus. Andreas sah Männer auf Krücken, Männer, die schmutzige Verbände trugen, Männer, die bleich und ausgezehrt von einer Krankheit waren; sie alle säumten den Weg, den die erbeutete Herde nahm. Es war klar, dass man die Tiere nicht mitten in der kleinen Zeltstadt unterbringen würde; was hier geschah, war nichts als eine Präsentation, ein Triumphzug, eine Demonstration des Generals, dass er seine Truppen, die er erbarmungslos hergehetzt hatte, nicht nur verpflegen, sondern sogar gut verpflegen konnte. Frisches Fleisch … Milch … Eier … in Prag gab es genügend Menschen, die sich solche Genüsse nicht leisten konnten. Nach diesem Machtbeweis würden die Männer den Befehlen des Generals über jede Schanze hinweg folgen …
    … und Andreas erkannte, dass sich ein Fehler in seine hoffnungsvollen Berechnungen eingeschlichen hatte. Wenn Königsmarck tatsächlich auf die Vereinigung mit Wittenberg warten wollte, warum hatte er es nicht an einem Ort getan, den die schwedischen Streitkräfte völlig unter Kontrolle hatten? In Eger, beispielsweise. Oder wenn er schon das Gefühl hatte, seinem Ziel so nahe wie möglich sein zu wollen, warum biwakierte er dann mit seinem kleinen Heer? Wenn sie hier angegriffen wurden, konnten sie sich nur schwer verteidigen. Ein Heer, das man vor Überfällen schützen wollte, hielt man in Bewegung. Warum dann diese Zeltstadt, einen halben Tagesmarsch von Prag entfernt? Wollte der Generaletwa mit diesem Haufen die Stadt angreifen? Völlig undenkbar … es hätte nur dann einen Sinn, wenn er nicht in einem Frontalangriff versuchte, die Mauern zu stürmen, sondern sich durch irgendeine Lücke im

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