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Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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und alles, was vier Beine hat und essbar ist, ins Lager getrieben.«
    »Verdammt!«, zischte Renata. »Colloredo, dieser Klotz! Der Herr bewahre uns vor Militärs, wenn’s um den Krieg geht. Das ganze Vieh hätte in die Stadt gebracht gehört, zusammen mit den Bauern, die da draußen den Schweden hilflos ausgeliefert sind. Jetzt haben wir doppelten Schaden – selbst nichts zu essen, und der Feind schlägt sich den Wanst voll.«
    Melchior stierte sie an. Plötzlich packte er sie, umarmte sie, drückte ihr einen Kuss auf die Lippen, schwang sie herum und tanzte mit ihr durch die Stube. »Ja!«, rief er. »Ja! Renata, du hast die besten Ideen! Das ist die Lösung!«
    Renata machte sich los. »Bist du verrückt geworden? Hör auf, sonst küsse ich dich zurück, und wer weiß, was daraus noch wird.«
    »Mama!«, quiekte Hanuš empört.
    »Sei ruhig, Söhnchen«, sagte sie, aber sie lachte. Keuchend strich sie sich die Haare zurück. »Und welche gute Idee habe ich gehabt?«
    »Gleich, gleich! Hanuš, Filip – könnt ihr mich zu diesem Pater Plachý führen? Und glaubt ihr, er würde mir zuhören, wenn ich ihm einen Vorschlag unterbreite?«
    »Kommt drauf an, welchen«, sagte Filip.
    »Den, die Studentenlegion und ihre Mitglieder unsterblich zu machen!«

12.
    Alexandra war nie in Podlaschitz gewesen. Der Ort sprach sofort zu ihr – er griff ihr ans Herz und presste es zusammen.
    Von allen Seiten liefen flache Hügelabhänge auf ein Feld zu, in dem der Teufel seiner Wut freien Lauf gelassen hatte. Ein Bach schnitt durch die Landschaft aus Trümmern, geduckten Hütten und kahlem Geäst hindurch, seine Farbe so schwarz wie altes Blut. Alexandra sagte sich vergeblich, dass der dunkler werdende Himmel für die Farbe des Wassers verantwortlich war; in ihrer Vorstellung verwandelte sich der Bach, sobald er das weite Tal berührte, in etwas, das von der Hölle berührt worden war. Inmitten des Trümmerfeldes ragte das Skelett einer Kirche empor, bröckelnde Außenwände, zwischen denen das Dach eingestürzt war, Turmstümpfe … ein morscher Knochen, das Mark gnadenlos ausgesaugt vom Hunger der Zeit.
    Wenzel neben ihr räusperte sich.
    »Es berührt dich auch, oder?«, fragte sie.
    Er nickte.
    »Bist du schon einmal hier gewesen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Hier hat alles angefangen«, sagte er nach einer Weile. »In jeder Hinsicht. Hier ist die Teufelsbibel entstanden, hier sind unsere Familien zum ersten Mal damit in Berührung gekommen.«
    »Unser Familienfluch«, sagte Alexandra und schnaubte.
    Sie sah auf, als Wenzel nicht antwortete. Er betrachtete sie. Dann lächelte er auf eine Weise, dass die Beklemmung, die der Anblick der Trümmerwüste mit ihren wenigen einsamen,gottverlassenen Pächterhütten dazwischen in ihr auslöste, leichter wurde. »Unser Familien segen «, sagte er. »Gäbe es ihn nicht, wäre ich im Findelhaus gestorben, und du würdest nicht existieren. Wie sollte es die Welt wert sein, weiter zu bestehen, wenn es unsere Liebe nicht gäbe?«
    Er trieb sein Pferd an, und es trabte den Hügel hinunter. Alexandra folgte ihm. »Wollen wir nicht auf die anderen warten?«
    »Wir sind geritten wie der Wind«, sagte Wenzel. »Von den anderen hat die Hälfte noch nie auf einem Pferd gesessen. Das dauert, bis die ankommen. Und ich habe verstanden, dass wir keine Zeit zu verlieren haben.«
    »Wenzel?«
    »Hm?«
    »Was, wenn wir sie nicht finden?«
    Er antwortete nicht. Sie ließ ihr Pferd neben dem seinen traben. Es kam ihr vor, als könne sie sich nicht mehr an eine Zeit erinnern, zu der sie nicht im Sattel gesessen und atemlos ein Pferd vorangetrieben hatte. Zum ersten Mal, seit sie diese Reise angetreten hatten, hatte sie jedoch die vage Hoffnung, alles könne am Ende gut werden.

    »Wenn man mittendrin steht, ist es noch riesiger«, sagte Alexandra.
    »Und viel unübersichtlicher«, bestätigte Wenzel.
    Er war auf einen Steinhaufen geklettert, aus dem Balken herausragten – ein in sich zusammengefallener Bau, von dem man nicht einmal mehr ahnen konnte, was er einmal gewesen war. »Ich schlage vor, wir fangen bei der Kirche an. Sie und ein Teil des Haupttrakts stehen noch halbwegs aufrecht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dein Vater und meiner die Teufelsbibel unter einem beliebigen Schutthaufen vergraben haben.«
    Alexandra betrachtete die Häuser, die am Rand des Trümmerfeldesstanden, welches das ehemalige Klosterareal bezeichnete. Sie wurde den Eindruck nicht los, dass sie, grau und verwittert und mit

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